Alexander
kompromittierst du mich und dich selber.« Er rückte den Kopf, ging schnell ab. Ihm folgte dienernd der Schreiber.
Hephaistion, der den König mit einer immer noch völlig fassungslosen Gebärde zurückhalten wollte, ließ die Hand sinken. Gleichzeitig sank erst sein Gesicht, dann auch der Oberkörper, wie in plötzlicher Schwäche, nach vorn. –
Dieser Zwischenfall ereignete sich einige Tagereisen vor der Ankunft der Armee und des Hoflagers in Ekbatana.
Bei den offiziellen Feierlichkeiten in Ekbatana ließ Hephaistion sich entschuldigen; Alexander wohnte ihnen meist in Begleitung des kleinen Bagoas bei. Von einigen der Gastmähler erzählte man später, sie seien Orgien an luxuriöser Ausgelassenheit gewesen, vor allem das große Abendessen des fetten Satrapen Atropates ging legendenumwoben in die Historie ein. Bei dieser üppigsten Schmauserei zeigte Alexander sich von wildester Ausgelassenheit, er leistete im Trunk Enormes, übrigens auch auf anderem Gebiet: jede halbe Stunde zog er sich mit Bagoas, oder sonst einem geschminkten Kinde, in die Hinterzimmer zurück. – Zufällig war es an diesem Abend, daß die Ärzte anfingen, des Hephaistion unerklärliche Krankheit ernst zu nehmen. Das Fieber wurde nicht besser, im Gegenteil, beinah immer fand man den Patienten ohne Bewußtsein, in qualvollen Phantasien.
Vom Zustande des Generals machte man dem König geziemend Mitteilung, als er von der amüsanten Veranstaltung des Satrapen gegen Morgen nach Hause kam. Der schwer Betrunkene lallte und winkte ab. Bestürzt zog Glaukias, der gewissenhafte und treue Doktor, sich vom schwankenden Alexander zurück.
Am nächsten Morgen machte der König Visiten, erst bei einigen persischen Großen, dann auch bei seinem leidenden Freund. Er konnte, da an diesem Tage die Feste der Dionysien mit großen Opferzeremonien begannen, nicht länger bleiben als ein paar Minuten. Hephaistion erkannte ihn nicht; der Blick des Kranken, der nichts mehr, außer großer Angst, zu enthalten schien, irrte zwar über ihn hin, aber ohne zu sehen. So war Alexander froh, bald gehen zu dürfen; er versprach dem Doktor Glaukias flüchtig eine Belohnung für seine hingebenden Dienste und eilte sich, zum Festzug zu kommen, wo das Volk ihn verlangte.
Er zeigte dem Volke, das mechanisch jubelte, sein totes Lächeln, seine starrgewordene Prunkgebärde. Die Frauen konstatierten, daß er dicker geworden sei; dafür hatte er an Würde zugenommen. Seinen unter hochgewölbten Brauen erweiterten Augen fehlte der Glanz, der sieghaft gewesen war; aber auch heute beherrschten und bezauberten sie, mit toter- und geheimnisvoller Eindringlichkeit. Sie lagen, fanden die Frauen, in tieferen Schatten, die vom Purpur ins Schwärzliche spielten. Vor allem sein Mund schien entstellt, wie lange war es her, und dieser Mund war kindlich gewesen. Nun hing er bläulich und schlaff, dabei gierig. Viele fanden diesen Mund abstoßend, andere allerdings besonders reizvoll.
Unzählige Weiber, die, ihren fremden König vorüberziehen zu sehen, Spalier standen, besprachen miteinander alle Einzelheiten dieses verfallenen Gesichtes. Eine fragte ihre Nachbarin: »Was wird seine Mutter sagen, wenn er wieder nach Mazedonien kommt? Als ein Frischer, Strahlender ging er von ihr, als ein Müder und Verdorbener kommt er wieder.« Darauf lachten einige; andere schwiegen.
Auf seinem Wagen, den die weißen Tiere zogen, Alexander im engen Prunkkleid, über der Stirne die Tiara, trug indessen unaufhörlich sein erstorbenes Lächeln über die Menge hin.
Den Opfern folgten die großen Kampfesspiele und Theateraufführungen, nirgends fehlte der geschmückte Alexander. Sein von Edelsteinen starr umrahmtes Gesicht erschien immer wieder, majestätisch und müde, über dem Volke, wenn es zum Schreien und zum Jubeln sich versammelt hatte; neben ihm die bemalte und listige Fratze des süßen Zwitters, den sie auf den Gassen schon die ›Königin‹ nannten.
Das Gerücht, Hephaistion sei krank, verlor sich. Hätte sich sonst der König gezeigt? An seinem Lager säße er, litte der Freund, anstatt sich mit dem Zwitter in der Loge zu zeigen. – Alexander verteilte Ehrenkränze, verneigte sich, lächelte, dankte. Abends zechte er mit den Fürsten und Generalen, den Kokotten, Schauspielern, arrivierten Handelsleuten, in den Villen der Reichen oder im eigenen Palast.
Es war am letzten Tage der Dionysien, während des Wettkampfes der halbwüchsigen Knaben, als der Arzt Glaukias den König im Stadion
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