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Alexander

Alexander

Titel: Alexander Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Mann
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zu Hause, eueren König in fernen Landen verlassen zu haben! Es wird euch, zweifelsohne, zur Ehre gereichen, wenn ich mich mit asiatischer Leibwache, persischen Offizieren von jetzt ab umgebe! Die Weltgeschichte wird euch darum loben!«
    Er eilte davon, das Kleid heftig gerafft, auf der Stirne die Zornesader geschwollen. Ihm folgten bestürzt einige Offiziere.
    Er verschloß sich in sein Kabinett, gab unbedingten Befehl, niemanden vorzulassen.
    Hinter ihm brach die Ratlosigkeit aus. In Panik befand sich die Armee, die Indien, Persien und Ägypten besiegt hatte. Von kleinen Bühnen gestikulierten Redner, aber niemand hörte ihnen zu. Der eine riet, in geschlossener Truppe nach Hause zu ziehen; ein anderer, den gekränkten König um Verzeihung zu bitten; ein dritter schlug vor, den Alexander in seinem Schlosse als Feind anzugreifen, ihn zu besiegen, zum Gefangenen zu machen.
    Inzwischen kamen aus dem Kabinett des Königs Nachrichten, die erschreckend waren. Dem Bagoas diktierte Alexander seine unbarmherzigen Befehle, die an die Armee und an die Generale weiterzugeben waren.
    Der Armee ward ausgerichtet, daß sie als endgültig entlassen sich zu betrachten habe. Räume sie ihr Quartier nicht innerhalb von achtundvierzig Stunden, werde der König mit persischer Truppe gegen sie vorgehen. – Die eilige Bildung einer asiatischen Leibwache zum persönlichen Schutze Seiner Majestät war befohlen, mit Persern alle Ehrenämter zu besetzen, sogar die Generalsstellen, die den intimsten Dienst beim Monarchen hatten, ›die Verwandten des Königs‹ hießen und das Vorrecht genossen, den Gekrönten zu küssen.
    Kein Griechisch Sprechender wurde in den königlichen Gemächern vorgelassen, nicht einmal Hephaistion; im Vorzimmer drängten sich die persischen Würdenträger. Einzelne von ihnen empfing der König im Kabinett, das er nicht eine Sekunde verließ. Diktierend rannte er auf und ab, der kleine Bagoas konnte nicht schnell genug kritzeln. Sein Gesicht hatte den starren Ernst der Maske, es schien keiner menschlichen Regung mehr zugängig. Man meldete, Hephaistion warte seit mehreren Stunden, er schüttelte den Kopf, winkte ab – plötzlich stand Hephaistion, ohne die Erlaubnis zum Eintritt zu haben, vor ihm.
    Ihn maß Alexander mit dem Blick fremden Staunens. Hephaistion rief, angstvoll und warnend: »Alexander! Die Armee weint!« Da sah man, daß ihm selber Tränen übers Gesicht flossen. »Sie haben sich alle vor deinem Schlosse versammelt! Sie weinen alle! Sie bitten um die Verzeihung!« Hier schluchzte er so heftig, daß er sich wenden mußte, die Tränen glänzten auf seinen Wangen. Alexander blieb stehen, starrte ihn, die Hände auf den Rücken gelegt, unter zornig gesenkter Stirn an. »Was kümmert die meine Verzeihung?« höhnte er, wobei er dem Weinenden ins Gesicht lachte. »Sie haben Angst, daß sie morgen nichts mehr zu fressen finden.«
    Das war dem Hephaistion zu viel, nun hob er beschwörend und entsetzt die Hände: »Du versündigst dich, Alexander! Sie haben dir treu gedient, dich zu dem gemacht, was du bist, du kannst sie hier nicht verlassen!« Er schluchzte wieder, daß er sich wenden mußte.
    Auf den Weinenden starrte Alexander mit dem schwarzen, trostlosen Blick unter der wütenden Stirn. Während er wieder zu wandern anfing, sagte er kurz, durch die Zähne: »Ich muß mir alle meine Entschlüsse vorbehalten. Lasse mich bitte allein.«
    Seine Soldaten mußten vierundzwanzig Stunden lang weinen. Sie winselten vor der Pforte seines Palastes. Ihre Waffen hatten sie abgeworfen, jammervoll zerschlugen sie sich die entblößte Brust. Ihre Zerknirschtheit war zu allem bereit: »Wir bleiben ohne Löhnung bei dir, Alexander! Wir ziehen, wohin du uns schickst! Nur laß uns, laß uns deine Soldaten bleiben! Was tun wir denn ohne dich? – Laß uns wieder deine Leibwächter werden!« flehten und lamentierten sie herzbrechend. »Erlaub auch uns, dich zu küssen!«
    Sie klagten, wie um die ersehnte Frau ein Liebender. Ihn küssen zu dürfen schien die höchste aller denkbaren Wonnen. Sie knieten hin, sie streuten sich Staub in die Bärte, auf den Kopf und die haarige Brust. So trieben sie es eine Nacht; der Tag, der folgte, auch noch die zweite Nacht traf sie so.
    Da ging das Palastportal vor ihnen auf, mitten in der Helligkeit stand Alexander. Er war allein, ohne Waffen, wie ein Friedensbote trug er das weiße Kleid. Er lächelte segnend über sie hin; sie merkten nicht, daß sein Lächeln kalt und übermüdet,

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