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Alexandra von Stietencron Bd. 1 - Purpurdrache

Alexandra von Stietencron Bd. 1 - Purpurdrache

Titel: Alexandra von Stietencron Bd. 1 - Purpurdrache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sven Koch
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Marlon begriff, was geschehen war, traf ihn eine Faust im Gesicht. Sofort schoss ihm der metallene Geschmack von Blut in den Mund. Noch ein Schlag. Er wirbelte herum, krachte gegen das Kassenhäuschen und riss die Plexiglasscheibe aus ihrer Verankerung. Rücklings fiel er auf das Steuerpult. Knöpfe und Hebel bohrten sich ihm in den Rücken. Alles um ihn herum drehte sich. Schlieren. Farben. Lichter. Sanftes Glockenklingeln und Paukenschlagen. Dann erkannte er, dass sich tatsächlich alles drehte. Mit dem Fall auf das Pult waren das Riesenrad und die Musikanlage gestartet worden.
    I was alright, for a while, I could smile, for a while, but I saw you last night, you held my hand so tight as you stopped, to say hello …
    »Na, mein Freund?«, murmelte Marcus. Er ließ die Latex-Handschuhe von den Fingern gleiten, verstaute sie in seiner Jeanstasche und warf Marlons Pistole auf die Treppenstufen. Marlon brachte nur ein Husten und Gurgeln zustande. Sein Mund war voller Blut.
… oh you wished me well, you couldn’t tell, that I’ve been cry-ay-ay-ay-ing, over you …
    »Oh, hör mal«, murmelte Marcus und griff wieder nach seiner eigenen Pistole, »ein Song von Roy Orbison, wie schön.« Marlon sah wie in Zeitlupe, dass Marcus’ Hand auf ihn zukam, ihn am Kragen griff und mit einem Ruck nach vorne zog. Marlon stolperte über eine Stufe, die zur Fahrgastempore des Riesenrads führte, und schlug der Länge nach auf den Boden. Dann stand Marcus vor ihm, legte den Kopf schief und blickte auf die Uhr.
    »Was ist los, Cowboy«, hörte Marlon ihn sagen, »bist du in eine deiner komischen Starren verfallen? Ein Blackout? Das wäre zu schade, ich möchte nämlich, dass du alles ganz genau mitbekommst.«
    Mit Wucht kickte Marcus in Marlons Nieren. Der Tritt raubte ihm die Luft. Ein stechender Schmerz breitete sich im ganzen Körper aus und kam wie ein gleißendes Licht im Gehirn an. Marlon rutschte über den Boden. Dann ein dumpfer Schlag am Hinterkopf. Der Boden einer der rotierenden Gondeln des Riesenrads hatte ihn gestreift.
    »Tja, wir haben leider nicht mehr viel Zeit miteinander, Marlon«, seufzte Marcus und zuckte mit den Schultern. »Du hast gerade eine Polizistin erschossen, die eigentlich dein nächstes Opfer werden sollte, mit dem du dich endgültig in den Drachen verwandeln wolltest. Nachdem du auf sie geschossen hast, habe ich dich dann erledigt. So wird es im Bericht stehen.«
    Marlon keuchte, kam mit dem Oberkörper hoch und stützte sich auf die Ellbogen. Er hustete und spuckte einen Schwall Blut. Marcus. Es war Marcus. Alles war Marcus. Aber Marlon begriff nicht.
    »Was«, röchelte er, »was tust du, Marcus? W-was hast du getan? Warum?«
    »Oh, warum? Eine große Frage.« Marcus zog die Augenbrauen hoch und schürzte die Lippen. »Du weißt es wirklich nicht oder?«
    Marlon schüttelte langsam den Kopf.
    »Hm. Das ist ja alles noch viel schlimmer mit dir, als ich dachte. Tja, dann will ich dir mal auf die Sprünge helfen, mein
Freund.
« Marcus schien das letzte Wort auszuspucken. »Es ist auf den Tag genau fünf Jahre her. Sogar die Uhrzeit könnte passen. Du kamst mit deinem Wagen gerade aus Düsseldorf. Sicherlich total zugedröhnt. Du fährst also auf dieser Landstraße … Erinnerst du dich?«
    Marlon hatte keine Ahnung, worauf Marcus hinauswollte. Aber er erinnerte sich, ja, natürlich tat er das. Es war der Abend mit dem Unfall. Darauf spielte er an. Es war dieses Reh. Aber, was … Marlon entglitten die Gesichtszüge. Das Begreifen stand wie ein Monstrum vor der Tür, drückte sich mit aller Kraft und Masse dagegen, schob Marlon, der sich verzweifelt gegen die Tür stemmte, über den Boden, in den seine Schuhe tiefe Furchen kratzten.
    I thought that I was over you, but it’s true, so true …
    Marcus wischte sich mit der Hand den Regen aus dem Gesicht, presste die Faust zusammen und sah dem Wasser dabei zu, wie es zu Boden troff. Er hob seine Stimme und übertönte Roy Orbisons süßen Gesang. »Du fährst also auf dieser Landstraße, und bang. Kracht etwas vor deinen Wagen. Du steigst aus, findest nichts und fährst weiter. Ein Tier, denkst du. Du lässt den Schaden bei Sergej reparieren, der keine Fragen stellt. Und tatsächlich hast du in deinem von Drogen umnebelten Gehirn nur noch Bruchstücke des Geschehens parat. Den Rest regelt dein perfekt ausgebildeter Verdrängungsmechanismus, der es gewohnt ist, Verantwortlichkeiten unter eine dicke Schicht Beton zu packen, nicht wahr? Noch nicht

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