Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Alexandra von Stietencron Bd. 1 - Purpurdrache

Alexandra von Stietencron Bd. 1 - Purpurdrache

Titel: Alexandra von Stietencron Bd. 1 - Purpurdrache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sven Koch
Vom Netzwerk:
auf eine Person einstechen. Die Übertötung kann aber auch eine emotionale Reaktion sein – etwa, wenn jemand aus Eifersucht seine Frau umbringt und seinem Hass freien Lauf lässt. Manche Serientäter projizieren die Wut auf eine dominante Person ihrer Biographie, zum Beispiel eine übermächtige Mutter, auf ihre Opfer. Mit jeder Tat bringen sie ihre Mutter symbolisch immer wieder aufs Neue um – und zerstören durch das Übertöten ihrer Opfer im übertragenen Sinne jegliche Individualität der Person, um die es ihnen eigentlich geht. Möglicherweise sprach der Overkill hier dafür, dass es eine Täter-Opfer-Beziehung gegeben hatte. Aber Alex wurde das Gefühl nicht los, dass die Opfer in erster Linie Mittel zum Zweck waren. Der Mörder mochte sie persönlich gekannt haben, in seinem Ritus waren sie aber vor allem Bausteine, Objekte, und die Art und Weise, in der er die Frauen getötet hatte, musste etwas bedeuten. Sie war einfach zu prägnant.
    Alex öffnete die Augen wieder, schluckte und zwang sich, die Leiche erneut zu betrachten, deren Zehenspitzen nach wie vor gespenstisch kleine Kreise in das dickflüssige Blut auf dem Boden zeichneten. Die riesige Bauchwunde und die Art und Weise, in der der Täter Juliane Franck plaziert hatte – auch hier erschien es Alex so, als solle das Opfer einer anderen Macht dargeboten werden. Geöffnet, damit ein höheres Wesen …
    … sie fressen kann?
    Alex schluckte, und ihr Hals fühlte sich an, als seien die Schleimhäute mit Schmirgelpapier bearbeitet worden. Sie wünschte, irgendwo lägen Büroklammern herum, um sie zu sortieren, oder ein paar Zahnstocher, die sie in einer Reihe im gleichen Abstand nebeneinander anordnen konnte. Irgendetwas, was ihr half, sich zu sammeln. Die Inszenierung, das Staging, auf der Bühne des Killers in diesem Raum tief in den Eingeweiden des
Buffalo,
hatte wie bei Sandra Lukoschik mit einem Ritual zu tun, mit etwas, was einen Zweck erfüllen soll. Natürlich, und diese Einschränkung musste sie machen, konnte es sein, dass gerade das außergewöhnlich dramatische Überzeichnen der Morde von den ursprünglichen profanen Motiven des Täters wie Eifersucht oder Rache ablenken und die Ermittler auf eine falsche Spur führen sollte. Aber Alex glaubte das nicht. Auch die Tatsache, dass dieser Killer blitzschnell hintereinander mordete, sprach dagegen – wofür hingegen die Geschwindigkeit sprach, war ihr nicht klar. Vielleicht hatte er nur wenig Zeit, um ein Ziel zu erreichen. In jedem Fall, resümierte Alex, ging der Täter mit Plan vor. Er war organisiert und arbeitete systematisch. Seine Morde schienen einem Muster zu folgen, einen Zweck zu haben, der über das einfache Abreagieren oder das Erlangen eines sexuellen Kicks deutlich hinausging. Und zwar gerade deswegen, weil sie auf unterschiedliche Art und Weise an unterschiedlichen Orten begangen worden waren und nicht einer bestimmten Vorliebe des Mörders zu folgen schienen. Die Art und Weise seines Vorgehens und die Tatorte mussten eng mit seiner Intention in Verbindung stehen.
    Galt das auch für die Opfer? Wie waren sie miteinander verbunden? Alex rieb sich die Schläfen und starrte zu Boden.
    Komm schon, denk nach, du kannst es.
    Sandra hatte er auf der Erde mitten in einem Feld umgebracht. Sinngemäß hatte der Boden sie getötet, indem ihr Kopf immer wieder auf einen Stein geschlagen wurde. Das Blut, das aus ihrem Hals geströmt war, hatte der Boden aufgesogen. Ein erdgebundener Mord. Die Ratte als Symbol. Das zweite Opfer, Juliane Franck, kam durch ein anderes Element ums Leben. Sie hing in der Luft, und ihr war die Luft zum Atmen genommen worden. Zudem, dachte Alex und betrachtete die dicken Metallrohre unter der Decke, befinden wir uns in einem Raum, der die Zuluft steuert. Das mögliche Symbol des Ortes: der Büffel. Aber wofür sollte das stehen? Welchen Zweck hatten diese Zeichen – so es denn welche waren?
    All das Blut hier auf dem Boden und an deinen Schuhen, genau wie damals, weißt du noch?
    Alex presste die Lippen aufeinander. Sie würde alles tun, um dieses Mosaik des Todes zusammenzusetzen.

[home]
    23 .
    U mmmbh. Ummmbh. Ummmbh. Sogar hier drinnen wackelten die Türen, die Wände und erst recht der Spiegel. Ummmbh. Ummmbh. Ummmbh. Okay, vielleicht vibrierte der Spiegel auch aus anderen Gründen. Marlon hielt sich an dem Trockengerät fest und versuchte mit der anderen Hand, den Druckknopf des Wasserhahns zu treffen, wobei er ein halbvolles Bierglas, in dem einige

Weitere Kostenlose Bücher