Alexandra von Stietencron Bd. 1 - Purpurdrache
Kaserne.«
»Das dürfte schwierig werden.« Reineking hatte sich zu der Gruppe gesellt und trank einen Schluck aus einer Flasche Mineralwasser.
»Warum?«
»Er ist weg. Hat heute Abend das Land verlassen. Wollte ich dir vorhin schon sagen. Es kam als Meldung vom Grenzschutz rein. Das System hat sich bei denen erst gemeldet, als er schon in der Maschine saß. Vielleicht haben die auch gepennt.«
Klatschend schlug Marcus mit der Hand gegen das Metall eines Klimaaggregats und schüttelte den Kopf. »Mann, hat der Nerven!«
»Vielleicht«, meldete sich Alex zu Wort, »hat er sie aber auch verloren.«
»Wo ist er hin?«, fragte Marcus.
»Samos. Hatte er ja auch gebucht, ne«, zuckte Schneider mit den Achseln.
Marcus wendete sich zu Alex und wischte sich mit den Handflächen über das Gesicht. »Wie ist dein Eindruck?«
»Wovon?«
»Von der neuen Leiche, von der alten Leiche, von König, von Griechenland …«, zählte Marcus genervt auf.
»Ich kann das nicht aus dem Stegreif …«
Marcus, Reineking und Schneider sahen sie erwartungsvoll an.
»Nein, sorry, ich kann nicht einfach eine Analyse über das Knie brechen, dazu habe ich viel zu wenig gesicherte Daten, und …«
»Alex, das ist der zweite Mord innerhalb kürzester Zeit.« Marcus biss sich auf die Lippen. »Ich habe dich mit deinem Wissen und deinen Qualifikationen nicht angefordert, damit du sie für dich behältst.«
»Nur eine Einschätzung, Durchlaucht, mehr isses ja nicht, sozusagen eine zweite Meinung aus einer anderen Sichtweise«, murmelte Schneider, deutete über die Schulter nach hinten zu der Leiche und vergrub die Hände in den Hosentaschen.
»Na gut, ich kann es versuchen.« Alex presste den Daumen auf die Unterlippe, dachte einen Moment nach und begann: »Okay, wir können annehmen, dass er die Frauen kennt – und sie ihn. Wir haben bis auf die Blutreste unter Sandra Lukoschiks Fingernagel keine Abwehrspuren gefunden, und auf den ersten Blick habe ich an der Leiche hier auch nichts erkannt. Die Injektionen müssen überraschend gekommen sein – das heißt, der Täter ist den Opfern nahe gekommen, ohne dass sie Verdacht schöpften, damit er die Spritze ansetzen konnte. Er hat Zugang zu Betäubungsmitteln. Das Verwenden eines Skalpells hat eine medizinische Komponente. Der Modus ist identisch, seine Handschrift, auch hier wirkt wieder alles wie eine rituelle Tat, und die Seile sehen wie die Nylonstricke aus, mit denen Sandra Lukoschik gefesselt war. Er hat sich keine Mühe gemacht, den Personalausweis des Opfers zu verstecken, weil wir ihm egal sind. Es hat ihn auch nicht interessiert, dass er an diesem öffentlichen Ort bei der Tat hätte entdeckt werden können – oder dabei, wie er die Frau hierhergeschleppt hat. Bei Sandra Lukoschik wurde als Symbol eine Ratte gefunden …«
»Hier haben wir noch kein Tier ausgemacht«, schränkte Schneider ein.
»Nein«, sagte Reineking und rieb sich das Kinn. »Aber heißt
buffalo
nicht Büffel? Kann das etwas zu bedeuten haben?«
Alex nickte. Es lief ihr eiskalt den Rücken hinunter. »Das kann es, ja, vielleicht ist dieses Mal der Ort selbst ein Hinweis.« Sie ballte die Faust und entspannte sie wieder. »Wenn ich nur eine Ahnung hätte, was es mit diesen Symbolen auf sich hat.«
»Nicht zu vergessen«, fügte Reineking murmelnd an, »kann es einen Zusammenhang zwischen den Opfern geben: Sandra Lukoschik war Roman Königs Freundin. Sie hatte abends eine Verabredung. Vielleicht mit einem anderen Mann, vielleicht betrügt sie König schon lange. Vielleicht hatte König inzwischen ein Auge auf die Verkäuferin aus dem Getränkemarkt von gegenüber geworfen, Juliane Franck, um sich zu rächen. Die Franck weist ihn jedoch ab. Schließlich brennen ihm alle Sicherungen durch, und er bringt sie beide um.«
»Ich bin mir nicht sicher«, antwortete Alex. »Das klingt zu einfach. Und ich weiß zu wenig über ihn.«
Reineking räusperte sich. »König ist so gut wie einschlägig vorbestraft. Es gab vor drei Jahren eine Ermittlung wegen versuchten sexuellen Missbrauchs gegen ihn. Eine Studentin hatte ihn angezeigt. Er hat Pornofotos mit ihr gemacht und ins Internet gestellt. Die Sache wurde mit einem Vergleich und Schmerzensgeld eingestellt. Man wollte das nicht hochkochen lassen, wegen der Reputation der FH . König war auch mal als Jugendlicher in der Psychiatrie, war manisch-depressiv und auf Lithium eingestellt, womit er wohl ganz gut klarkam. Na ja«, Reineking rieb sich die Nase,
Weitere Kostenlose Bücher