Alexandra von Stietencron Bd. 1 - Purpurdrache
dir.«
»Und jetzt verrate ich
dir
mal was, Mister Neunmalklug.« Marlon sprang auf und schnippte die Zigarette auf die Straße. »Du hast keine Ahnung. Du hast nicht die Spur einer Ahnung. Das hier, das ist Himmel und Hölle gleichzeitig! Ein Serienkiller in meiner Stadt! Er ermordet vor meiner Nase Frauen, die ich kenne! Glaubst du, ich lasse ihn damit durchkommen? Ich, Marlon Kraft, der mittendrin steht, mitten im Auge des Hurrikans? Die eine Antwort ist: Nein, Eddie. Und es gibt noch einen zweiten Grund, weswegen ich diese Welle weiter surfen werde, Mann: Diese Sache ist
bigger than life,
sie ist der Big Bang, die Hammerstory, und sie ist persönlich, Mann! Total persönlich! Und wenn du die Dimensionen nicht überreißt, Junge, dann tust du mir leid, dann bist du nur ein Scheiß-Lokalamateur!«
Eddie schulterte die Tasche und strich sich stumm eine Haarsträhne aus dem Gesicht. »Weißt du was, Marlon?«
»Nein, was denn, Mister Helmut Newton? Wenn ich es wüsste, hätte ich es längst geschrieben.«
»Fick dich.«
Eddie drehte sich um und trottete auf den Parkplatz zu.
»Ja«, rief Marlon ihm hinterher, »aye aye, Sir! Sonst macht es ja sowieso keiner!«
Ja, sollte er doch abhauen, auch egal. Marlon wischte sich über die Lippen und setzte sich auf den Absatz neben der Treppe. Wenigstens fühlte er sich jetzt wieder klarer. Er zog eine weitere Marlboro mit den Lippen aus der Schachtel.
»Beeindruckende Show.«
Eine weibliche Stimme. Sie kam von der Seite. Die Silhouette der Frau schälte sich langsam aus dem Dunkel, glitt in das Gegenlicht der Straßenlaterne und trat schließlich in den hellen Kegel eines der Strahler, die vom Dach des
Buffalo
auf die Treppe leuchteten. Es war diese adelige Psychologin. Marcus’ Neuzugang. Alex Gräfin von Stietencron.
»Wenn es Ihnen gefallen hat, warum applaudieren Sie dann nicht?«, brummte Marlon.
Alex hob gelassen die Hände und klatschte gelangweilt. »Besser so?«
»Ja, viel besser, Danke.« Marlon stand auf und verbeugte sich affektiert. Als er wieder hochkam, umspielte ein abschätziges Lächeln ihren Mund. Das Überhebliche stand ihr mindestens so gut wie die körperbetonte Dreivierteljeans und die weit aufgeknöpfte Bluse, unter der sie, wie Marlon mit geschultem Blick feststellte, keinen BH trug. Sie schüttelte ihr rabenschwarzes Haar und band es mit einem Haargummi zusammen.
»Darf ich Sie auf eine Cola einladen?«, fragte sie unvermittelt. Das Licht der Scheinwerfer explodierte in Hunderten Reflexen auf ihren knallrot geschminkten Lippen
»Cola? Sie trinken im Dienst?«
Alex lachte. Weiße, regelmäßige Zähne blitzten auf. Kleine Fältchen um die Augen. Sexy. »Manchmal tue ich das, ja.«
Marlon zog an der Zigarette. »Ehrlich gesagt wollte ich gerade gehen. Ich hatte etwas viel …«
»Ehrlich gesagt«, unterbrach ihn Alex, »wollen Sie lieber noch ein bisschen reden.«
»Hm.« Marlon blies den Rauch langsam durch die Nase aus. »Sieht man das?«
»Ja.«
Die Cola tat gut. Die zweite auch. Marlon hockte an der Theke, nippte an der dritten und verschmierte mit dem Finger den feuchten Halbkreis, den das Glas auf dem dunklen Holz hinterlassen hatte.
»Sie sind Freunde, Marcus und Sie?« Alex trank einen Schluck Mineralwasser, zog die Zitronenscheibe vom Rand des Glases ab und lutschte sie aus.
»Ich weiß nicht, ob wir das noch sind.« Marlon schenkte Alex ein gequältes Lächeln und starrte in ihren Ausschnitt. Ein kleiner, von ihrem Glas herabgefallener Tropfen glitzerte auf dem Ansatz ihrer Brüste, und …
»Soll ich sie ganz öffnen?«
»Was?«
»Meine Bluse. Damit Sie meinen Busen besser sehen können. Dann müssen Sie sich nicht so verrenken.«
»Oh.« Marlons Gesicht wurde heiß. »Nein, Entschuldigung …«
»Sie müssen es nur sagen.«
»Nein, wirklich, sorry, ist so eine dumme Macho-Attitüde …«
»Ihre einzige?«
Marlon trank noch einen Schluck Cola. Diese Frau war tough. Er durfte sie auf keinen Fall unterschätzen. Ihre elegante Ausstrahlung täuschte. Womöglich würde sie ihn sogar unter den Tisch saufen.
»Nein«, offenbarte er. »Nur eine von vielen.«
Alex schlug die Beine übereinander, nahm eine Zigarette aus Marlons Schachtel und zündete sie sich an.
»Sieh da – Sie haben ja auch schlechte Angewohnheiten …«
»Nur gelegentlich«, lächelte sie. »Und ich inhaliere auch nicht.«
Marlon lachte, stierte auf das Cola-Glas und zählte einige der Kohlensäureblasen, die vom Boden aufstiegen und
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