Alias - Moederischer Nebenjob
Mann dort unten an der Tür ablieferte, doch an ein Heranschleichen war nicht zu denken angesichts des wahrhaft hünenhaften zweiten Kerls, der mit qualmender Zigarette direkt neben der Fahrertür stand. Er trug eine graue Baskenmütze auf dem ansonsten kahlen Schädel, und seine Schultern waren so breit, dass auch der Schmerbauch, der beinahe die Knöpfe seines Hemdes sprengte, ihn nicht weniger furchterregend aussehen ließ.
Eine Minute später tauchte der erste Mann wieder auf. Der Fahrer schnippte seine Zigarettenkippe in den Rinnstein, dann kletterten die beiden wieder in den Wagen und fuhren davon. Vorsichtig kam Sydney hinter dem Müllcontainer hervor und fragte sich, was das alles zu bedeuten hatte.
Möglicherweise gar nichts, dachte sie, während sie, die Unschuld in Person, in Richtung Treppe schlenderte.
Modehäuser kriegen wahrscheinlich täglich jede Menge Lieferungen.
Aber vor Sonnenaufgang? Abgesehen davon musste der Mann einen eigenen Schlüssel besessen haben, denn das Paket lag mitnichten vor der Kellertür.
Ich werde Noah davon berichten, vielleicht ist es ja wichtig, beschloss sie. Sie wandte sich um und machte sich auf den Weg zurück zum Hotel. Und wenn nicht, wird er auf jeden Fall von meiner Initiative beeindruckt sein!
»Sie haben was gemacht?«, fragte Noah aufgebracht. »Ich glaube, ich hör nicht richtig!«
»Ich dachte nur.«, setzte Sydney zu ihrer Verteidigung an. »Ich meine, wo ich schon mal da war. «
»Muss ich Sie daran erinnern, wer für diese Mission die Verantwortung trägt?« Der niedliche verschlafene Ausdruck in seinem Gesicht war einer Miene reinsten Zorns gewichen. »Sind Sie verrückt geworden?«
»Ich hatte doch nur die Absicht zu helfen«, protestierte sie und wünschte, sie hätte einfach ihr Jogging fortgesetzt, anstatt Hals über Kopf zum Hotel zurückzurennen und Noah mitzuteilen, was sie gesehen hatte. Möglicherweise war das ein Fehler gewesen.
»Ich will nicht, dass Sie eigenmächtig handeln, nicht, solange es um meinen Auftrag geht!«, bellte er sie an. Wütend schlug er mit der Faust auf die Rückenlehne des Sofas. »Haben Sie auch nur mal eine Minute darüber nachgedacht, dass an dem Gebäude vielleicht Sicherheitskameras angebracht sein könnten? Unter Umständen haben Sie soeben unsere Tarnung auffliegen lassen!«
»Unmöglich!«, erwiderte sie rasch. »Alles, was sie
gesehen haben können, ist eine Joggerin.«
»Eine Joggerin, die sich hinter Mülltonnen versteckt«, höhnte er.
Sydney presste ihre zitternden Lippen aufeinander. Sie konnte spüren, wie sich ihre Augen mit Tränen füllten, doch sollte es auch nur einer gelingen zu entschlüpfen, würde sie sich nur noch törichter fühlen, als sie sich ohnehin schon vorkam. Verlegen trat sie in ihren Joggingschuhen von einem Fuß auf den anderen, schlang sich die Jacke um den Körper und wünschte, sie wäre irgendwo anders.
»Ich sehe es ja ein«, sagte sie schließlich. »Aber selbst wenn mich irgendwer beobachtet hat, könnte es doch sein, dass er mich für eine dieser klamottenversessenen Touristinnen gehalten hat, die ihr favorisiertes Modehaus ausspioniert. Oder für eine junge Frau, die Angst hat, so früh am Morgen allein auf der Straße jemandem zu begegnen. So was ist ja nicht ungewöhnlich. «
Noah sah sie entrüstet an. »Besser, Sie versuchen jetzt nicht, mit mir darüber zu diskutieren. Gehen Sie duschen oder machen Sie sonst was.«
Sie zögerte, schien zu schwanken. So wie Noah sich benahm, wäre sie lieber überall gewesen, nur nicht in seiner Nähe. Doch wie konnte sie überhaupt irgendwohin gehen, solange eine Sache wie diese zwischen ihnen stand?
»Es tut mir Leid, wenn ich einen Fehler gemacht habe«, sagte sie und bemühte sich vergeblich, seinem verärgerten Blick standzuhalten. »Ich versuche mein Bestes, aber ich bin immer noch Rekrutin.«
»Das brauchen Sie mir nicht zu sagen«, entgegnete er scharf. »Glauben Sie mir, es ist so offensichtlich wie nur irgendetwas.«
Sydney konnte nur niedergeschlagen nicken, da der schmerzende Kloß in ihrem Hals sich wie eine Faust zusammenzuballen schien und ihr die Stimme nahm. Ohne ein weiteres Wort wandte sie sich um und stürmte hinaus in ihr Badezimmer. Mit lautem Knall schlug sie erst die eine, dann die andere Tür hinter sich zu.
Sie legte ihre Joggingsachen ab, stellte sich unter die Dusche und drehte sie bis zum Anschlag auf. Heißes Wasser prasselte auf sie hinab und wusch den Schmutz und den Schweiß von ihr, doch
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