Alias - Moederischer Nebenjob
Nachttisch, und ein missbilligendes Grunzen entfuhr ihrer Kehle. Sie hatte gerade einmal zwei Stunden geschlafen!
Wenigstes bin ich schon angezogen, dachte sie erschöpft, als sie ihre bestrumpften Füße auf den Teppich schwang und zur Tür wankte. Sie hatte sich letzte Nacht etwas Neues zum Anziehen kaufen wollen, aber die Geschäfte waren zu dieser späten Stunde schon geschlossen gewesen. Also hatten sie und Noah auch weiterhin ihre schwarzen Hosen und Rollkragenpullis tragen müssen, die sie für ihre Mission ausgewählt hatten. Sie fand, dass sie in dieser Aufmachung wie ein ungeschminktes Pantomimenpärchen aussahen.
In der Tat, völlig ungeschminkt, dachte sie wehmütig und strich sich rasch die Haare glatt. Gott sei Dank hatte es hier wenigstens die Möglichkeit gegeben, sie zu waschen.
Sie und Noah hatten in den frühen Morgenstunden in diesem billigen Hotel eingecheckt, nachdem sie ihren Beobachtungsposten auf dem Dach aufgegeben und ein Taxi Richtung Süden genommen hatten. Und auch wenn Sydney gern zum Plaza Athenee zurückgekehrt wäre, um einen Hauch von Luxus zu atmen und ihr SD-6-Outfit gegen eine Designergarderobe getauscht hätte, war Noah der Ansicht gewesen, dass dies zu riskant sei.
»Das K-Direktorat besteht ja nicht nur aus vier Leu-ten«, hatte er sie erinnert. »Unsere Suite könnte von überall in der ganzen Welt beobachtet werden.«
Also hatten sie mit dem Bargeld, das sie bei sich trugen, zwei getrennte Hotelzimmer am anderen Ende der Stadt genommen. Sydneys Raum war klein, aber sauber. Doch unter den gegebenen Umständen hätte sie sogar im Stehen übernachtet, so erledigt war sie gewesen. Und dann hatte sie feststellen müssen, dass sie noch viel zu überdreht und durchnässt war, um sich auch nur zu entspannen. Also hatte sie die halbe Nacht damit zugebracht, ihre Kleider mit dem Hotelfön zu trocknen.
Als sie die Tür öffnete, stand Noah draußen und grinste sie an. Er wirkte so ausgeruht und frisch, als wäre er gerade von einem zweiwöchigen Urlaub zurückgekehrt. Er hielt ihr eine Flasche Orangensaft und eine Zeitung entgegen. »Für Sie«, sagte er. »Wie haben Sie geschlafen?«
Sydney nahm erst mal einen tiefen Schluck aus der Flasche, bevor sie seine Frage beantwortete. »Hab ich überhaupt geschlafen?«, murmelte sie. Sie bat ihn herein und schloss die Tür.
Er lachte, als er durchs Zimmer ging und die Zeitung auf ihr Bett warf. »Zu viel Spaß gehabt, was?«
»Zu viel Spaß und keinen Pyjama, ja. Übrigens, wie haben Sie denn geschlafen in Ihren nassen Klamotten?«
Er zwinkerte ihr zu. »Ich hab sie ausgezogen.«
Die Bemerkung ließ sie erröten. Nicht, dass sie es anrüchig fand, dass jemand nackt schlief - sie fand nur, sie sollte sich Noah in dieser Situation besser nicht vorstellen. Oder die Art und Weise, wie er sie letzte Nacht geküsst hatte. Und besonders, wie sie darauf reagiert hatte.
»Ich hab Stunden damit zugebracht, meine Klamotten mit dem Hotelfön zu trocknen«, sagte sie in dem Wunsch, das Thema zu wechseln. »Das ist mir auch ganz gut gelungen, nur meine Schuhe sind immer noch ganz klamm.«
Noah verzog das Gesicht. »Hört sich stressig an. Ich hab meine Sachen einfach aufgehängt, und das war's. Bis auf die Schuhe natürlich.«
»Ja, die Schuhe«, wiederholte sie lahm und vermied es, ihn anzusehen. Stattdessen trank sie den Rest Orangensaft aus und stellte die Flasche auf dem kleinen Beistelltisch ab.
»Ich hab Ihnen für den Rückflug ein wenig Lektüre mitgebracht«, sagte Noah. Er nahm die Zeitung wieder zur Hand und reichte sie ihr. »Schau'n Sie mal.«
Sydney überflog die Schlagzeile der englischsprachigen Gazette: VIER PERSONEN WEGEN VERDACHT AUF WAFFENSCHMUGGEL FESTGENOMMEN. Der zugehörige Artikel, begleitet von einem Foto des Modehauses, vor dem zahlreiche Einsatzwagen standen, nahm die ganze erste Seite in Anspruch.
»Wenn sie von den Waffen wissen, dann wissen sie auch von dem Tunnel in das unterirdische Lager«, schlussfolgerte Sydney. Sie hatte es sich auf der Bettkante bequem gemacht und begann zu lesen. »Ich hatte vermutet, der wäre eingestürzt.«
Noah lehnte sich gegen die Wand. »Der Bunker ist wahrscheinlich verschüttet und überflutet worden. Aber die ganzen Explosionen haben die Polizei sicherlich zu den richtigen Schlüssen geführt. Und außerdem haben die Verantwortlichen jetzt alle Zeit der Welt, die Sache genauer zu untersuchen. In Anbetracht dessen, was sie unter der Erde und in den Geschäftsbüchern finden
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