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Alias XX

Alias XX

Titel: Alias XX Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joel Ross
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…«
    »Setzen Sie sich erst«, sagte sie. »Dann essen Sie. Dann reden Sie.«
    »Ich bin es leid, mich zu setzen.«
    »Dann bin ich es leid, zu reden.« Sie legte ihm die Hand flach auf die Brust und drückte ihn in einen der niedrigen Armsessel.
    Er setzte sich. Er wollte eine Suppe. Er wollte Trost. Die Fürsorge einer Frau – eine Pfeife und Pantoffeln und Audrey, die sich auf seinen Schoß schmiegte. Es war eine Pastinakensuppe, süß und sämig. Er aß eine Schale davon und bat um eine zweite. Audrey verschwand in der Küche, er hob den Notizblock vom Boden auf.
    Sie hatte eine ordentliche, geschwungene Handschrift: »Bei angekündigten Luftangriffen vermischen sich Resignation und Angst zu einem nicht geringen Teil mit Erleichterung. Man ist froh, wieder etwas zu tun zu haben, statt nur zu warten. An der Front zu sein, im Krieg, statt nur …« Er blätterte zur ersten Seite zurück: »… Die jungen Leute der ›höheren‹ Schichten spotten über diejenigen, die Schutzräume aufsuchen, vielleicht, weil sie in den Nachtclubs ein Gefühl der Gemeinschaft erfahren
und …«
    Was zum Teufel war das? Es las sich wie ein nachrichtendienstlicher Bericht.
    »Mass Observation«, sagte sie vom Bogengang aus. »Sie schicken einmal im Monat eine Direktive – einen Fragebogen.«
    »Wer?«
    »Mass Obs, Dummerchen, um die Stimmung in der Bevölkerung beurteilen zu können. Wir beantworten Fragen zu Lebensmittelrationierungen, zum Verkehr, zur Kriegsarbeit. Was die Leute über Bezugsmarken denken, über Luftangriffe, Flakfeuer.«
    Das erinnerte Tom an die Propagandaabteilung des COI, den Foreign Information Service, und plötzlich kam ihm ein Verdacht: Die Briten mussten über eine ähnliche Einrichtung verfügen. Das Mädchen war einfach zu gut, um echt zu sein. Sie war zu interessiert, zu warmherzig, zu schön.
    »Sie arbeiten für sie?«
    »Sie sind so schlimm wie Inch! Sie hören überhaupt nicht zu. Sie schicken eine Direktive, und ich beantworte die Fragen.«
    »Mass Obs«, sagte er. »Haben die ihren Sitz in Whitehall?«
    »Wir sind alles Freiwillige«, sagte sie. »Dreitausend Zivilisten, damit die da oben auf dem Laufenden gehalten werden. Ich weiß, es ist nicht viel, aber man tut, was man kann.«
    »Trägt man auch zur Unterhaltung der Truppen bei? Unterstützt man die Kriegsanstrengungen? Festigt man die Moral und anderes?«
    Sie ging darauf nicht ein. »Es ist nur eine Meinungsumfrage. Sie waren froh um mich, weil ich mich in einer einzigartigen Position befinde. Ich habe Zugang zu einer Öffentlichkeit, die den meisten Freiwilligen verschlossen ist.«
    »Sie meinen Bettgeflüster?«
    Sie knallte den Notizblock auf das Klavier. »Warum, Tommy?«
    »Des Geldes wegen, nehme ich an.«
    »Warum sind Sie so grausam? War ich nicht immer freundlich zu Ihnen?«
    Es war ihre Freundlichkeit, die ihm Angst einjagte. »Der Türsteher will mich nicht in den Club lassen. Ich brauch ein Jackett und eine Krawatte.« Er brauchte dieses beschissene Buch, Tristram Shandy. Er musste Sondeggers Spiel mitspielen, bis er die Regeln kannte – und seinen Bruder fand. »Ich muss in Earls Zimmer.«
    Sie drehte sich zur Wand hin. Unter den Aufschlägen ihrer Hose spitzten die nackten Füße heraus. Sie hob die Arme, umfasste mit ihren blaßen Händen ihr schwarzes Haar und flocht es zu einem losen Knoten, einer glänzenden schwarzen Tiara. »Seine Sachen sind hier. In der Wohnung.«
    »Ich dachte … Sie sagten, Sie seien keines von seinen Mädchen.«
    »Er war mit der Miete in Rückstand, also wurde sein Zimmer geräumt. Michael sagte mir, dass Sie die Rechnung nicht übernehmen wollten, also hab ich …«
    »Er sagte, ich würde was nicht tun? Wer zum Teufel ist Michael?«
    »Der Barkeeper.«
    Der Typ mit dem Schaufelkinn, der ihm gesagt hatte, Earl begleiche seine Rechnungen immer vor dem Letzten des Monats. »Und sie haben Earls Zimmer geräumt.«
    »Es gibt eine Warteliste für die Zimmer oben. Ich hab seine Kleidung mitgenommen« – mit ausdrucksloser Miene drehte sie sich zu ihm um –, »um Ihnen einen Gefallen zu tun.«
    »Haben Sie auch seine Bücher mitgebracht? Gehören Sie ihm?«
    »Das hier ist keine Leihbibliothek.«
    »Audrey, hören Sie zu – haben Sie seine Bücher?«
    »Nein.«
    »Den Müll … den Krimskrams … sie haben sein Zimmer geräumt? Ich muss … Zeigen Sie mir, wo der Müll abgeladen wird.«
    Sie hob das Kinn. »Lieber nicht.«
    »Miss Pritchett … Audrey. Bitte.«
    Sie schmiegte sich aufs Sofa,

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