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Alibi für einen König

Alibi für einen König

Titel: Alibi für einen König Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Josephine Tey
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und daß das bucklige Monstrum der Tudor-Geschichten nie erfunden worden wäre. Wahrscheinlich wäre, wenn man aus Richards bisherigem Verhalten Rückschlüsse ziehen darf, seine Regierung die beste und aufgeklärteste der Geschichte gewesen. Was geschah mit Morton?«
    »Nichts.«
    »Auch das war ein Fehler.«
    »Zumindest geschah nichts Aufregendes. Er kam unter der Obhut Buckinghams in Ehrenhaft. Die Leute, die aufs Schafott geschickt wurden, waren die Rädelsführer der Verschwörung, die Richard in Northampton verhaftet hatte: Rivers & Co. Und Jane Shore wurde zu Buße verurteilt.«
    »Jane Shore? Was zum Kuckuck hat die mit der Sache zu tun? Ich dachte, sie sei Eduards Mätresse gewesen?«
    »Das war sie auch. Aber Hastings hatte sie anscheinend von Eduard geerbt. Oder vielmehr – lassen Sie mich nachdenken –, Dorset hat sie übernommen. Und sie war der Zwischenträger zwischen dem Hastings-Klüngel der Verschwörung und dem Woodville-Klüngel. Es gibt heute noch einen Brief Richards über sie. Über Jane Shore.«
    »Was steht denn über sie drin?«
    »Sein Kronanwalt wollte sie heiraten, als Richard König war.«
    »Und Richard erklärte sich einverstanden?«
    »Ja. Es ist ein prächtiger Brief. Eigentlich eher traurig als zornig. Und ein ganz klein wenig schalkhaft.«
    »›Herr, welche Narren diese Sterblichen doch sind!‹«
    »Genau das.«
    »Auch hier läßt sich also keinerlei Rachsucht entdecken.«
    »Nein, ganz im Gegenteil. Ich bin mir zwar durchaus bewußt, daß es nicht meine Sache ist, Schlüsse zu ziehen – ich bin ja nur der wissenschaftliche Arbeiter –, aber ich glaube, es war Richards Ehrgeiz, dem Kampf zwischen York und Lancaster ein für allemal ein Ende zu setzen.«
    »Wie kommen Sie auf diesen Gedanken?«
    »Nun, ich habe mir die Anwesenheitsliste seiner Krönung angesehen. Der Überlieferung zufolge war es übrigens die Krönung, der die meisten Menschen beiwohnten. Es ist wirklich auffallend, daß eigentlich niemand fehlte. Ob Lancaster oder York.«
    »Ich nehme an, auch der Wetterhahn Stanley nicht.«
    »Wahrscheinlich nicht. Ich kenne die Burschen nicht gut genug, um mich noch an jeden einzelnen Namen zu erinnern.«
    »Vielleicht haben Sie recht mit Ihrer Annahme, daß er der York-Lancaster-Fehde ein Ende setzen wollte. Vielleicht ist seine Großmut Stanley gegenüber darauf zurückzuführen. «
    »Stanley war also ein Lancaster-Anhänger?«
    »Nein. Aber er war mit einer ungewöhnlich rabiaten Lancaster-Anhängerin verheiratet. Seine Gemahlin war Margaret Beaufort, und die Beauforts waren sozusagen die andere Hälfte – der illegitime Zweig – der Familie Lancaster. Nicht, daß sie sich etwa dieser Abstammung geschämt hätte. Ihren Sohn genierte sie übrigens ebensowenig.«
    »Wer war dieser Sohn?«
    »Heinrich VII.«
    Carradine stieß einen langgezogenen leisen Pfiff aus.
    »Soll Lady Stanley wirklich Heinrichs Mutter gewesen sein?«
    »Sie war es. Er war der Sohn aus erster Ehe mit Edmund Tudor.«
    »Aber – aber Lady Stanley hatte bei Richards Krönung eine Ehrenstellung. Sie war Schleppenträgerin der Königin. Das habe ich mir gemerkt, weil ich es so drollig fand. Ich meine, das Schleppentragen. Bei uns zu Hause trägt man keine Schleppen. Ich nehme an, das ist eine Ehre.«
    »Und was für eine Ehre! Armer Richard. Armer Richard. Es hat sich nicht bezahlt gemacht.«
    »Was hat sich nicht bezahlt gemacht?«
    »Seine Großmut.« Grant dachte darüber nach, während Carradine wieder in seinen Notizen blätterte. »Das Parlament hat also Stillingtons Aussage zur Kenntnis genommen?«
    »Mehr als das. Das Parlament nahm diese Aussage in ein Gesetz auf, das Richard den Thronanspruch zubilligte. Man nannte dieses Gesetz Titulus Regius.«
    »Für einen Diener Gottes hat Stilüngton aber keine sehr glanzvolle Figur gemacht. Ich kann nur annehmen, er hätte sich sein eigenes Grab geschaufelt, wenn er früher den Mund aufgetan hätte.«
    »Gehen Sie nicht ein bißchen zu streng mit ihm um? Es war ja gar nicht notwendig, früher zu sprechen. Es erwuchs ja niemandem ein Nachteil.«
    »Und Lady Eleanor Butler?«
    »Die war in einem Kloster gestorben. Sie ist in der Kirche der Weißen Karmeliterinnen in Norwich begraben, falls es Sie interessiert. Solange Eduard lebte, konnte niemandem Unrecht geschehen. Aber als es um die Thronfolge ging, da mußte Stillington den Mund aufmachen, ganz gleich, in welches Licht er sich dabei setzte.«
    »Ja, Sie haben natürlich recht. Die Kinder wurden

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