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Alibi für einen König

Alibi für einen König

Titel: Alibi für einen König Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Josephine Tey
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vollkommenem Stillschweigen verpflichtet. Das ist doch klar.«
    »Heimlich zu heiraten, scheint eine Angewohnheit Eduards gewesen zu sein«, sagte Grant trocken.
    »Nun ja, wissen Sie, es wird ihm zu schaffen gemacht haben, wenn er auf spröde Tugend stieß. Da gab es dann eben nichts als Heirat. Und er war es so gewöhnt, bei Frauen seinen Kopf durchzusetzen – kein Wunder bei dem Aussehen und seiner Krone –, daß er keinen Korb ertragen konnte.«
    »Richtig! Das trifft im Fall der Woodville-Heirat genau zu. Die tugendhafte Schöne mit dem Goldhaar und die heimliche Heirat. Eduard hat sich also, wenn Stillington die Wahrheit sagt, schon einmal dieses Auswegs bedient. Aber sagte er denn die Wahrheit?«
    »Es scheint, daß Stillington zur Zeit Eduards Geheimer Siegelbewahrer und Lordkanzler und auch Gesandter in der Bretagne gewesen ist. Also war Eduard ihm entweder zu Dank verpflichtet, oder er hatte eine besondere Zuneigung zu ihm gefaßt. Und Stillington selbst hatte keine Veranlassung, Eduard am Zeug zu flicken. Wenn er überhaupt ein hinterhältiger Patron gewesen ist...«
    »Was ich nicht annehme.«
    »Nun, wie dem auch sei, die Sache kam vor das Parlament. Wir brauchen uns also nicht auf Stillington allein zu verlassen.«
    »Vor das Parlament?«
    »Gewiß. Sie wurde offen und freimütig diskutiert. Am 9. fand eine sehr ausgedehnte Sitzung der Lords in Westminster statt. Stillington machte seine Aussage und brachte seine Zeugen mit. Und man arbeitete einen Bericht aus, den man dem Parlament vorlegen wollte, wenn es am 25. zusammenträte. Am 10. schickte Richard der Stadt York einen Brief und erbat darin Truppen für seinen Schutz und zur Unterstützung.«
    »Ha! Endlich passiert was.«
    »Ja. Am 11. schickte er einen ähnlichen Brief an seinen Vetter, Lord Nevill. Es bestand also wirkliche Gefahr.«
    »Sieht mir ganz so aus. Ein Mann, der mit der überraschenden und sehr heiklen Situation in Northampton so geschickt fertig wurde, verliert nicht so rasch den Kopf.«
    »Am 20. begab er sich mit einem kleinen Gefolge in den Tower. Wußten Sie, daß der Tower die königliche Residenz in London und kein Gefängnis war?«
    »Ja, das wußte ich. Den Gefangnis-Beigeschmack bekam er erst, als man den Begriff des In-den-Tower-Schickens nur noch mit der Vorstellung von schwedischen Gardinen verband. Und natürlich hat man in der Zeit, ehe es die sogenannten Gefängnisse Seiner Majestät gab, Missetäter dorthin gebracht, weil er das königliche Schloß und die einzige starke Festung in London war. Weshalb begab Richard sich in den Tower?«
    »Er wollte eine Sitzung der Verschwörer sprengen und Lord Hastings, Lord Stanley und einen gewissen John Morton, den Bischof von Ely, verhaften.«
    »Hab’ ich mir doch gedacht, daß wir über kurz oder lang auf John Morton stoßen würden.«
    »Man erließ eine Proklamation, die Einzelheiten des Mordkomplotts gegen Richard enthüllte. Aber augenscheinlich gibt es davon keine Abschrift. Nur einer der Verschwörer wurde geköpft, und seltsamerweise scheint dieser eine ein alter Freund Eduards wie Richards gewesen zu sein: Lord Hastings.«
    »Ja, dem geheiligten More zufolge wurde er in den Hof gezerrt und auf dem nächstbesten Holzblock um einen Kopf kürzer gemacht.«
    »Nix gezerrt«, sagte Carradine angewidert. »Er wurde eine Woche später enthauptet. Es existiert ein zeitgenössischer Brief, der das genaue Datum nennt. Überdies kann Richard das nicht aus reiner Rachsucht gemacht haben, denn er sprach der Witwe von Hastings die eingezogenen Besitzungen wieder zu und sicherte den Kindern das Erbrecht, das sie automatisch verloren hatten.«
    »Nein, der Tod von Hastings muß unvermeidlich gewesen sein«, sagte Grant, schon wieder einmal in Mores »Richard III.« blätternd. »Sogar der geheiligte More schreibt: ›Der Protektor liebte ihn zweifellos und bedauerte, ihn verloren zu haben.‹ Was geschah mit Stanley und John Morton?«
    »Stanley wurde begnadigt. Weshalb stöhnen Sie so?«
    »Armer Richard. Das war sein Todesurteil.«
    »Todesurteil? Wie konnte die Begnadigung Stanleys sein Todesurteil sein?«
    »Weil Stanleys plötzlicher Entschluß, zur andern Seite überzugehen, Richard die Schlacht von Bosworth verlieren ließ.«
    »Was Sie nicht sagen!«
    »Es ist ein komischer Gedanke, daß Richard, hätte er Stanley wie seinen vielgeliebten Hastings zum Richtblock gehen lassen, die Schlacht von Bosworth gewonnen hätte. Daß es dann niemals eine Tudor-Dynastie gegeben hätte

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