Alibi für einen König
Geschichte macht.«
»Der geheiligte More ist zum Kotzen, aber ich bin ganz Ohr.«
Grant suchte die Stelle und las:
»Einige weise Männer sind auch der Meinung, daß auf Richards Betreiben, das er streng verborgen hielt, sein Bruder Clarence sterben mußte, wiewohl er offen dagegen protestierte, wenn auch nicht so heftig, wie er es hätte tun müssen. Die so denken, sind auch der Meinung, daß er schon lange vor König Eduards Tod daran dachte, König zu werden, wenn der König, dessen Leben er durch ein Bestärken in seinen Ausschweifungen zu verkürzen trachtete, verscheiden sollte, solange seine Kinder noch zu jung waren – was er denn auch tat. Und jene meinen auch, daß er aus diesem Grunde über seines Bruders Clarence Tod froh war, denn dieser hätte ihm im Wege gestanden, ob nun jener Clarence seinem Neffen, dem jungen König, die Treue gehalten oder selbst den Thron angestrebt hätte. Aber all dies ist ungewiß, und wer sich auf Mutmaßungen einläßt, kann ebensogut über das Ziel hinaus- wie auch zu kurz schießen.«
»Dieser schäbige, schwatzhafte, verleumderische alte Kerl«, sagte Carradine.
»Haben Sie die einzig positive Behauptung in diesem ganzen Geschwätz heraushören können?«
»Sofort.«
»Sie haben es gemerkt? Kluger Junge. Ich habe lange gebraucht, bis ich die einzige handgreifliche Tatsache herausgefunden hatte.«
»Daß Richard offen dagegen protestierte, daß man seinen Bruder George ins Jenseits befördert hatte?«
»Ja.«
»Vor lauter Sich-Berufen auf ungenannte Personen könnte man natürlich den Eindruck bekommen, daß er genau das Gegenteil getan hat«, bemerkte Carradine. »Ich habe Ihnen ja gesagt, daß mir der geheiligte More gestohlen bleiben kann.«
»Ich glaube, wir dürfen nicht vergessen, daß es sich hier um John Mortons Bericht und nicht um den des geheiligten More handelt.«
»Na, jedenfalls hat More das Zeug des Abschreibens für wert befunden.«
Grant, der ehemalige Soldat, ging noch einmal auf das geschickte Vorgehen in jener äußerst kitzligen Lage in Northampton ein.
»Saubere Arbeit, das; Rivers’ zweitausend Mann stillschweigend einzukassieren.«
»Ich nehme an, daß den Soldaten, wenn sie vor die Wahl gestellt wurden, der Bruder des Königs lieber war als der Bruder der Königin.«
»Sicherlich. Und ein Kriegsmann hat natürlich bei Soldaten mehr Chancen als ein Schriftsteller.«
»Hat Rivers denn Bücher geschrieben?«
»Er schrieb das erste Buch, das in England gedruckt wurde. Er war sehr kultiviert.«
»Aber trotzdem scheint er nicht gelernt zu haben, daß man sich nicht mit einem Mann einlassen soll, der mit achtzehn Jahren Brigadier und mit fünfundzwanzig General war. Wissen Sie, das hat mich doch überrascht.«
»Richards soldatische Fähigkeiten?«
»Nein, seine Jugend. Ich hatte ihn mir immer als ältlichen Griesgram vorgestellt. Als er in Bosworth fiel, war er erst zweiunddreißig Jahre alt.«
»Sagen Sie mir noch eins! Als Richard in Stony Stratford die Vormundschaft über den Thronfolger annahm, hat er da die Ludlow-Gesellschaft allesamt nach Hause geschickt? Ich meine, wurde der Knabe von allen Menschen, mit denen er aufgewachsen war, getrennt?«
»Nein. Sein Erzieher zum Beispiel, Dr. Alcock, ging mit ihm nach London.«
»Es wurden also nicht panikartig alle Menschen, die vielleicht auf seiten der Woodvilles hätten stehen können, ausgeschaltet? Alle, die den Knaben gegen Richard hätten beeinflussen können?«
»Anscheinend nicht. Es wurden lediglich die vier Verhaftungen vorgenommen.«
»Eine saubere Arbeit. Ich beglückwünsche Richard Plantagenet.«
»Ich fange an, den Burschen richtig gern zu haben. So, und nun will ich gehen und mir Crosby Place ansehen. Ich finde es toll aufregend, mit eigenen Augen ein Haus zu betrachten, in dem er wirklich gelebt hat. Und morgen muß ich Auszüge aus dem Commines machen und Ihnen mitteilen, was der über die Geschehnisse des Jahres 1483 in England zu melden weiß. Und was Robert Stillington, der Bischof von Bath, dem Rat im Juni dieses Jahres erzählt hat.«
X
G rant erfuhr, dass Stillington dem Rat an jenem Sommertag des Jahres 1483 erzählt hatte, er habe Eduard IV. mit Lady Eleanor Butler, einer Tochter des ersten Grafen von Shrewsbury, getraut, ehe Eduard Elizabeth Woodville ehelichte.
»Weshalb hat er das wohl so lange für sich behalten?« fragte Grant seinen »wissenschaftlichen Mitarbeiter«, nachdem er diese Nachricht verdaut hatte.
»Eduard hatte ihn zu
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