Alibi
Ackroyd war noch um halb zehn am Leben.»
Parker ließ ein bescheidenes Hüsteln vernehmen, das sofort den Blick des Inspektors auf ihn lenkte.
«Nun?», fragte er scharf.
«Ich bitte um Verzeihung, Sir, aber Miss Flora hat ihn noch später gesehen.»
«Miss Flora?»
«Ja. Es muss ungefähr drei viertel zehn gewesen sein. Nachher sagte sie mir, Mr. Ackroyd wolle heute Abend nicht mehr gestört werden.»
«Hatte er sie mit dieser Botschaft zu Ihnen gesandt?»
«Nicht ausdrücklich, Sir. Ich wollte eben ein Tablett mit Whisky und Soda hineintragen, als Miss Flora aus dem Zimmer trat und mir sagte, dass ihr Onkel nicht mehr gestört zu werden wünsche.»
Der Inspektor betrachtete den Butler nun viel aufmerksamer als bisher.
«Es wurde Ihnen doch schon einmal gesagt, Mr. Ackroyd wolle nicht gestört werden …»
Parker begann zu stammeln.
«Ja, ja, gewiss.»
«Und doch wollten Sie dem Wunsch zuwiderhandeln?»
«Ich vergaß es, Sir. Das heißt … ich meine … ich bringe ihm immer um diese Stunde Whisky und Soda und frage, ob er noch etwas braucht, und ich dachte … eigentlich tat ich es wie gewöhnlich, ohne nachzudenken.»
In diesem Augenblick kam mir zum Bewusstsein, wie verdächtig erregt eigentlich Parker war. Er zitterte und bebte am ganzen Körper.
«Hm», sagte der Inspektor. «Ich muss Miss Ackroyd sofort sprechen. Lassen wir jetzt das Zimmer, wie es ist. Ich kann hierher zurückkehren, wenn ich gehört habe, was Miss Ackroyd zu berichten weiß. Ich will nur vorsichtshalber das Fenster schließen und verriegeln.»
Nachdem diese Vorsichtsmaßnahme getroffen war, schritt er, von uns gefolgt, in die Halle. Er zögerte einen Augenblick, als er die kleine Treppe sah, und sagte zu seinem Polizisten: «Jones, bleiben Sie lieber hier. Lassen Sie niemanden in das Zimmer.»
Parker fiel ihm ehrerbietig in die Rede.
«Verzeihung, Sir. Die Treppe führt nur zu Mr. Ackroyds Schlaf- und Badezimmer. Mit dem übrigen Teil des Hauses besteht keinerlei sonstige Verbindung. Früher hat es einmal eine Durchgangstür gegeben, doch Mr. Ackroyd ließ sie verriegeln. Er wollte gern seine Zimme r flucht für sich allein haben.»
Die schmale Treppe führt, wie Parker beschrieb, zu e i nem großen Schlafzimmer, das durch Niederlegung einer Wand aus zwei Räumen entstanden war, und in ein a n schließendes Badezimmer.
Der Inspektor erfasste die Lage mit einem Blick. Wir gingen in die große Halle, und er schloss die Tür hinter sich ab und steckte den Schlüssel ein. Dann gab er leise dem Polizisten einige Befehle, worauf dieser sich a n schickte, das Haus zu verlassen.
«Wir müssen uns mit den Fußspuren befassen», erklärte der Inspektor. «Aber vor allem muss ich mit Miss Ackroyd sprechen. Sie hat als letzte ihren Onkel gesehen. Weiß sie es schon?»
Raymond schüttelte den Kopf.
«Nun, so soll sie es noch fünf Minuten länger nicht erfahren. Sie wird meine Fragen besser beantworten können, solange ihr das Drama noch nicht bekannt ist. Sagen Sie ihr, dass ein Einbruch stattgefunden hat, und fragen Sie, ob sie nicht die Güte haben wolle, herunterzuko m men und mir einige Fragen zu beantworten.»
«Miss Ackroyd wird sofort erscheinen», sagte Raymond, als er zurückkehrte.
Nach kaum fünf Minuten kam Flora die Treppe herunter. Sie trug einen zartrosa Seidenkimono und sah ängstlich und erregt aus.
Der Inspektor ging ihr entgegen.
«Guten Abend, Miss Ackroyd», sagte er höflich. «Leider hat ein Raubüberfall stattgefunden, und wir brauchen Ihre Hilfe. Was ist dies für ein Raum – das Billardzi m mer? Treten Sie hier ein und nehmen Sie Platz.»
Flora ließ sich auf dem großen Sofa nieder, das längs der Wand stand, und blickte den Inspektor an.
«Ich verstehe nicht ganz. Was wurde gestohlen? Was wollen Sie mir sagen?»
Der Inspektor zögerte ein wenig, bevor er antwortete.
«Es verhält sich folgendermaßen, Miss Ackroyd. Parker behauptet, Sie seien gegen drei viertel zehn aus dem Arbeitszimmer Ihres Onkels gekommen. Ist das richtig?»
«Ganz richtig. Ich war dort, um ihm gute Nacht zu sagen.»
«Und die Zeit stimmt auch genau?»
«Ich glaube, sie dürfte ungefähr stimmen. Ich kann es nicht beschwören. Vielleicht war es auch etwas später.»
«War Ihr Onkel allein, oder befand sich jemand bei ihm?»
«Er war allein. Doktor Sheppard war schon fortgega n gen.»
«Bemerkten Sie vielleicht, ob das Fenster offenstand oder geschlossen war?»
Flora schüttelte den Kopf.
«Das kann ich nicht sagen.
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