Alibi
hastig. «Gehen Sie sofort zum Telefon und verständigen Sie die Polizei. Dann rufen Sie Mr. Raymond und Major Blunt.»
«Sehr wohl, Sir.»
Parker entfernte sich eilig und wischte immer noch seine schweißtriefende Stirn.
Ich tat das wenige, was zu tun übrigblieb, wobei ich sorgsam bemüht war, die Lage des Leichnams nicht zu verändern und den Griff des Dolches nicht zu berühren. Ackroyd war sicher schon eine Weile tot.
Kurze Zeit verharrte ich regungslos.
Dann ertönte von draußen Raymonds ungläubige Stimme.
«Was sagen Sie? Unmöglich. Wo ist der Arzt?»
Ungestüm trat er ein und blieb totenbleich an der Schwelle stehen. Eine Hand schob ihn beiseite, und an ihm vorbei stürzte Hektor Blunt ins Zimmer.
«Mein Gott!», stöhnte Raymond hinter ihm. «Wie ist das möglich?»
Blunt schritt geradewegs auf den Lehnstuhl zu. Er beugte sich über den Leichnam, und ich dachte, er wolle, wie Parker, nach dem Dolch greifen. Ich hielt ihn zurück.
«Es darf nichts verändert werden», erklärte ich. «Die Polizei muss ihn genau so sehen, wie er aufgefunden wurde.»
Blunt nickte verständnisvoll. Sein Antlitz war au s druckslos wie immer, doch mir schien, ich sähe feine Ge fühlsregungen unter der unbewegten Maske. Nun gesellte sich Geoffrey Raymond zu uns und blickte über Blunts Schulter auf den Toten.
«Entsetzlich!», sagte er leise.
Er hatte seine Fassung wiedergewonnen, nahm den Zwicker ab, den er für gewöhnlich trug, und putzte ihn.
Da merkte ich, dass seine Hände zitterten.
«Vermutlich ein Raubmord», meinte er. «Wie kam der Kerl herein? Vielleicht durch das Fenster? Hat er auch etwas mitgenommen?»
Er ging an den Schreibtisch.
«Denken Sie an einen Einbruch?», fragte ich langsam.
«Was sollte es sonst sein? Selbstmord kommt doch nicht in Betracht!»
«Niemand kann sich selbst von hinten erstechen», erwiderte ich bestimmt. «Es ist unzweifelhaft Mord. Aber warum?»
«Roger hatte keine Feinde», sagte Blunt leise.
«Es müssen Einbrecher gewesen sein. Aber was suc h ten sie hier? Es sieht so aus, als wäre nichts berührt wo r den.»
Er sah sich im Zimmer um. Raymond sichtete noch die Papiere auf dem Schreibtisch.
«Es scheint nichts zu fehlen, und auch an den Schubl a den sind keine Spuren zu finden», bemerkte schließlich der Sekretär. «Unbegreiflich. Da liegen einige Briefe auf dem Teppich.»
Ich sah hin. Drei oder vier Briefe lagen noch dort, wo sie Ackroyd hatte fallen lassen.
Doch der blaue Umschlag mit dem Brief von Mrs. Ferrars war verschwunden. Ich öffnete den Mund, um etwas zu sagen, als eine Glocke im Haus erklang. Undeu t liches Stimmengewirr drang aus der Halle, und Parker kam mit unserem Revierinspektor und einem Polizisten herein.
«Guten Abend, meine Herren», grüßte der Inspektor. «Ich bin entsetzt! Mr. Ackroyd, der liebe, gütige Herr! Der Butler sagt, er sei ermordet worden! Ist die Möglichkeit eines Unglücksfalles oder eines Selbstmordes ausg e schlossen, Doktor?»
«Vollkommen ausgeschlossen», bestätigte ich.
«Oh! Eine böse Geschichte.»
Er trat hinzu und beugte sich über den Leichnam.
«Ist seine Lage irgendwie verändert worden?», fragte er streng.
«Ich habe den Toten in keiner Weise berührt, außer um festzustellen, dass er wirklich tot ist – und das war leicht zu sehen.»
«Ah! Und alles spricht dafür, dass der Mörder glatt en t kommen ist. Nun erzählen Sie mir den Hergang. Wer hat den Leichnam gefunden?»
Ich berichtete alles mit peinlicher Genauigkeit.
«Eine telefonische Nachricht, sagen Sie? Von dem Butler?»
«Eine Nachricht, die ich niemals gab», erklärte Parker erregt. «Ich bin den ganzen Abend nicht am Telefon g e wesen. Die andern können das bezeugen.»
«Sehr seltsam. Klang es wie Parkers Stimme, Doktor?»
«Nun, ich kann nicht sagen, dass mir etwas auffiel. Ich hielt es für selbstverständlich.»
«Natürlich. Sie eilten also hierher, brachen die Tür auf und fanden den armen Mr. Ackroyd so auf. Wann dürfte Ihrer Ansicht nach der Tod eingetreten sein?»
«Vor wenigstens einer halben Stunde, wenn nicht früher», sagte ich.
«Die Tür war von innen verriegelt, sagen Sie? Wie verhielt es sich mit dem Fenster?»
«Ich selbst hatte es vorher auf Ackroyds Wunsch geschlossen und verriegelt.»
Der Inspektor ging hin und zog die Vorhänge zurück.
«Nun, jetzt ist es jedenfalls offen», bemerkte er.
Wirklich, das Fenster stand offen, der untere Flügel war bis oben hochgezogen.
Der Inspektor leuchtete mit
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