Alibi
Die Vorhänge waren zugezogen.»
«Richtig. Und Ihr Onkel war genauso wie immer?»
«Ich glaube – ja.»
«Wollen Sie so freundlich sein, uns genau zu erzählen, was zwischen Ihnen beiden vorging?»
Flora zögerte ein Weilchen, als ob sie ihre Gedanken sammeln müsste.
«Ich trat ein und sagte: ‹Gute Nacht, Onkel, ich gehe jetzt zu Bett. Ich bin heute Abend sehr müde.› Er ließ ein leises Brummen vernehmen, und ich ging zu ihm und küsste ihn. Er sagte irgend etwas darüber, wie vorteilhaft mir das Kleid stehe, das ich trug, und fügte dann hinzu, ich solle ihn in Ruhe lassen, da er zu tun habe. Dann ging ich.»
«Bat er ausdrücklich, man möge ihn nicht stören?»
«O ja, das hatte ich vergessen. Er sagte: ‹Sag Parker, ich benötige heute nichts mehr, er soll mich nicht mehr stören.› Ich traf Parker gerade vor der Tür und sagte ihm Bescheid.»
«Ganz richtig», sagte der Inspektor.
«Wollen Sie mir nicht erzählen, was gestohlen wurde?»
«Wir wissen es noch nicht ganz genau», sagte der Inspektor.
Schreckerfüllt weiteten sich die Augen des Mädchens.
«Was gibt es? Sie verbergen mir etwas.»
Zurückhaltend wie immer, kam Hektor Blunt näher und blieb zwischen ihr und dem Inspektor stehen. Sie streckte ihm zögernd eine Hand entgegen, die er mit seinen beiden Händen umschloss; dann streichelte er sie, als ob sie ein kleines Kind wäre, und sie wandte sich ihm zu, als strahle von seinem unerschütterlich ruhigen, vertrauenerweckenden Wesen Trost und Geborgenheit aus.
«Schlimmes ist geschehen, Flora», sagte er sanft. «Schlimmes für uns alle. Ihr Onkel Roger …»
«Nun?»
«Es wird ein furchtbarer Schlag für Sie sein. Doch es muss gesagt werden. Der arme Roger ist tot.»
Flora fuhr zurück, starr vor Entsetzen blickten ihre Augen.
«Wann?», flüsterte sie. «Wann?»
«Sehr bald, nachdem Sie ihn verließen, fürchte ich», sagte Blunt ernst.
Flora griff mit der Hand an ihr Herz und stieß einen schwachen Schrei aus. Ich fing sie auf, als sie fiel. Sie war ohnmächtig geworden. Blunt und ich trugen sie hinauf und legten sie auf ihr Bett. Dann bat ich Blunt, Mrs. Ackroyd zu wecken. Flora kam bald zu sich. Ich begleit e te ihre Mutter zu ihr, gab Anweisungen, was für Flora zu tun sei, und eilte wieder nach unten.
6
I ch traf den Inspektor, als er eben aus der Tür trat , die in den Küchengang führte.
«Wie geht es Miss Flora, Doktor?»
«Bedeutend besser. Ihre Mutter ist bei ihr.»
«Das ist recht. Ich habe eben die Dienerschaft verhört. Alle erklären einstimmig, dass heute Abend niemand an die Hintertür gekommen sei. – Ihre Beschreibung des Fremden war ziemlich vage. Können Sie uns keine bestimmten Anhaltspunkte geben?»
«Leider nicht», sagte ich bedauernd, «es war stockfinster, und der Mensch hatte den Kragen hochgeschlagen und seinen Hut tief ins Gesicht gedrückt.»
«Hm», meinte der Inspektor. «Sieht aus, als wollte er sein Gesicht verbergen. War es sicher kein Bekannter?»
Ich verneinte, doch nicht so entschieden, wie ich eigentlich gemusst hätte. Ich erinnerte mich, dass die Stimme des Fremden mir nicht unbekannt geklungen hatte. Stockend bekannte ich dies dem Inspektor.
«Sie sagen, es sei eine barsche, ungebildete Stimme gewesen?»
Ich bejahte, doch es kam mir vor, als sei die Barschheit im Ton mit Absicht übertrieben worden. Wenn, wie der Inspektor annahm, der Mann bestrebt war, sein Antlitz zu verbergen, weshalb sollte er nicht ebenso gut versucht haben, die Stimme zu verändern?
«Wollen Sie mich wieder in das Arbeitszimmer begleiten? Ich hätte noch einige Fragen an Sie zu richten!»
Ich nickte. Inspektor Davis sperrte die Tür zum Flur auf, wir schritten hindurch, und er schloss sie hinter sich wieder zu.
«Wir wollen lieber ungestört bleiben», sagte er grimmig. «Und wir brauchen auch keine Horcher. Wie war das eigentlich mit der Erpressung?»
«Erpressung!», rief ich äußerst betroffen.
«Ist das die Erfindung von Parkers Einbildungskraft?»
«Wenn Parker etwas von Erpressung hörte», sagte ich langsam, «so muss er am Schlüsselloch gehorcht haben.»
Davis nickte.
«Nichts wahrscheinlicher als dies. Sehen Sie, ich interessiere mich dafür, womit sich Parker während des Abends beschäftigte. Aufrichtig gesagt, gefällt mir sein Betragen nicht. Der Mann weiß etwas. Als ich ihn auszufragen begann, schöpfte er tief Atem und tischte dann eine erfundene Geschichte von Erpressung auf.»
Ich fasste einen plötzlichen
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