Alibi
Wassertröpfchen auf seinem Ärmel aufzuregen. Der Mann glich mit seinen grünen Augen und seinem geschleckten Wesen in mancher Hinsicht einer Katze.
«Ich wüsste gern, was in dem Teich liegt», sagte ich teil nahmsvoll.
«Wollen Sie es sehen?», fragte Poirot.
Ich starrte ihn an. Er nickte.
«Mein lieber Freund», sagte er höflich. «Hercule Poirot setzt sich nicht der Gefahr aus, seine Kleidung zu beschmutzen, wenn er sich des Erfolges nicht sicher ist. Anders zu handeln wäre albern und lächerlich. Und lächerlich mache ich mich nie.»
«Aber Sie zogen Ihre Hand doch leer heraus», warf ich ein.
«Zuweilen ist Verschwiegenheit am Platz. Sagen Sie Ihren Patienten immer alles – aber auch alles, lieber Doktor? Ich glaube nicht. Sie haben sicher auch Geheimnisse vor Ihrer ausgezeichneten Schwester, nicht wahr? Ehe ich die leere Hand zeigte, ließ ich ihren Inhalt in die andere fallen. Wollen Sie sehen, was es war?»
Er hielt mir seine linke Hand offen hin. Auf der Han d fläche lag ein kleiner goldener Ring: der Ehering einer Frau. Ich ergriff ihn.
«Blicken Sie hinein», befahl Poirot.
Ich gehorchte. In feiner Schrift stand dort zu lesen:
R. 13. März
Ich blicke Poirot an, doch dieser war eifrig bemüht, sich in einem kleinen Taschenspiegel zu betrachten. Ich sah, er war im Moment weiteren Erörterungen abgeneigt.
10
W ir trafen Mrs. Ackroyd in der Halle. Ein kleiner, vertrockneter Mann mit vorstehendem Kinn und scharf blickenden grauen Augen war bei ihr. Man sah ihm von weitem den Rechtsanwalt an.
«Doktor Hammond bleibt auch zum Lunch bei uns», sagte Mrs. Ackroyd. «Sie kennen doch Major Blunt, Dr. Hammond, und unseren lieben Doktor Sheppard – auch ein guter Freund des armen Roger. Und – erlauben Sie …»
Sie hielt inne und blickte Poirot verblüfft an.
«Mama, das ist Monsieur Poirot», sagte Flora. «Ich habe dir heute früh von ihm erzählt.»
«O ja», entgegnete Mrs. Ackroyd unsicher, «gewiss, mein Kind, gewiss. Er will Ralph suchen, nicht wahr?»
«Er soll herausfinden, wer Onkel Roger umgebracht hat», sagte Flora.
«Oh, Flora», rief die Mutter. «Bitte! Meine armen Nerven. Dass so Furchtbares geschehen konnte! Es war irgendein unglückseliger Zufall. Roger befasste sich so gern mit verdächtigen Kuriositäten. Seine Hand muss ausgeglitten sein oder …»
Ihre Theorie wurde mit höflichem Schweigen aufgenommen.
Ich sah, wie Poirot den Anwalt beiseite nahm, sah, wie er leise auf ihn einsprach. Sie zogen sich in eine Fenste r nische zurück. Ich ging ihnen nach, dann zögerte ich.
«Ich möchte nicht lästig fallen.»
«Nicht doch», rief Poirot herzlich. «Sie und ich, mein lieber Doktor, wir führen die Untersuchung gemeinsam. Ohne Sie wäre ich verloren. Ich möchte von Dr. Hammond eine kleine Auskunft.»
«Sie vertreten die Interessen Ralph Patons, wenn ich richtig verstehe», fragte der Anwalt vorsichtig.
Poirot schüttelte den Kopf.
«So nicht. Ich wirke im Interesse der Gerechtigkeit. Miss Ackroyd hat mich mit der Aufgabe betraut, den Tod ihres Onkels aufzuklären.»
Dr. Hammond schien ein wenig bestürzt.
«Ich kann nicht eigentlich glauben, dass Captain Paton in das Verbrechen verwickelt ist», sagte er, «so sehr auch die Indizien dafür sprechen. Die Tatsache allein, dass er in großer finanzieller Bedrängnis war …»
«War er in großer finanzieller Bedrängnis?», schob Poirot schnell ein.
Der Anwalt zuckte die Achseln.
«Das war bei Ralph Paton ein chronischer Zustand», erwiderte er. «Unaufhörlich ging er seinen Stiefvater an.»
«Hat er dies auch kürzlich getan? Zum Beispiel im Lauf des letzten Jahres?»
«Das kann ich nicht sagen. Mr. Ackroyd hat mir davon jedenfalls nichts gesagt.»
«Ich verstehe. Dr. Hammond, ich nehme an, dass Ihnen Mr. Ackroyds letztwillige Verfügungen bekannt sind?»
«Selbstverständlich. Das ist ja die Veranlassung meines heutigen Besuches.»
«Nun, da Sie sehen, dass ich im Interesse von Miss Ackroyd arbeite, werden Sie mir doch hoffentlich eine Auskunft über jene Vermächtnisse nicht verweigern?»
«Sie sind außerordentlich einfach. Nach Ausbezahlung gewisser Legate und Vermächtnisse –»
«Wie zum Beispiel –?», unterbrach Poirot.
Dr. Hammond schien etwas überrascht.
«Tausend Pfund der Haushälterin Miss Russell; fünfzig Pfund der Köchin Emma Cooper; fünfhundert seinem Sekretär Geoffrey Raymond. Spenden an verschiedene Krankenhäuser …»
Poirot hob abwehrend die Hand.
«Oh, die
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