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Alibi

Alibi

Titel: Alibi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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Verantwortung für die Interessen ihres Kindes übertragen werden. Ich nenne das Mangel an Vertrauen.»
    «Sie vergessen», wandte ich ein, «dass Flora Roger Ackroyds eigene Nichte, seine Blutsverwandte war. Die Dinge lägen ganz anders, wenn Sie seine Schwester und nicht seine Schwägerin wären.»
    «Ich bin der Ansicht, er hätte auf meine Gefühle Rüc k sicht nehmen müssen», jammerte sie, indem sie ihre Augenlider mit dem Taschentuch betupfte. «Aber Roger war stets eigen – um nicht zu sagen kleinlich –, wenn es sich um Geldsachen handelte. Wir beide, Flora und ich, hatten immer einen schweren Stand.
    Nicht einmal Taschengeld gab er dem armen Kind. Er bezahlte ihre Rechnungen, aber auch das nur widerstr e bend und nie ohne zu fragen, wozu sie alles benötigte – wie eben nur ein Mann fragen kann. Aber nun vergesse ich, was ich eigentlich sagen wollte! Ja, richtig, nicht einen Penny hatten wir. Flora litt darunter – jawohl, ich muss sagen, sie litt sogar sehr. Obwohl sie ihrem Onkel natü r lich sehr zugetan war. Doch jedes Mädchen hätte dies bitter empfunden. Und dann», fuhr Mrs. Ackroyd mit einem plötzlichen Gedankensprung fort, «all dieses Geld – tausend Pfund – denken Sie, tausend Pfund, jenem Weib zu hinterlassen!»
    «Welchem Weib?»
    «Der Russell. Sie ist sehr eigentümlich, aber Roger wollte nichts über sie hören. Sagte, sie sei eine Frau von ungewöhnlicher Charakterstärke, und hörte nicht auf, sie zu loben. Ich glaube, etwas stimmt bei ihr nicht. Sie tat sicher ihr möglichstes, um von Roger geheiratet zu werden, aber das habe ich denn doch verhindert. Sie hat mich immer gehasst. Natürlich. Ich durchschaute sie.»
    Ich dachte nach, ob es irgendein Mittel gab, um Mrs. Ackroyds Redeschwall einzudämmen und ihr zu entschlüpfen. Dr. Hammond führte die nötige Ablenkung herbei, indem er sich verabschiedete. Ich benutzte die Gelegenheit und erhob mich gleichfalls.
    «Und die gerichtliche Untersuchung? Wo soll sie abg e halten werden? Hier oder in den ‹Three Boars›?»
    Mrs. Ackroyd starrte mich mit offenem Mund an.
    «Gerichtliche Untersuchung?», fragte sie bestürzt. «Geht es nicht ohne gerichtliche Untersuchung?»
    Dr. Hammond ließ ein trockenes Hüsteln hören und flüsterte: «Unvermeidlich. Unter diesen Umständen.»
    «Aber Doktor Sheppard kann doch sicher …»
    «Auch meinem Können sind Grenzen gesetzt», sagte ich trocken.
    «Wenn der Tod einem unglücklichen Zufall zugeschri e ben würde …»
    «Er ist ermordet worden», sagte ich brutal.
    Sie schrie leise auf.
    «Die Behauptung, dass es ein Unfall war, würde sich keinen Augenblick halten lassen.»
    Mrs. Ackroyd blickte mich verzweifelt an.
    «Wenn eine gerichtliche Untersuchung stattfinden sollte, werde ich dann Fragen beantworten müssen?», fragte sie ängstlich.
    «Ich weiß nicht, was erforderlich sein wird», antwortete ich. «Ich glaube aber, dass Mr. Raymond Ihnen das Schwerste abnehmen wird. Er kennt alle näheren Umstände und kann auch einen einwandfreien Identität s nachweis erbringen.»
    Der Anwalt nickte zustimmend.
    «Ich glaube wirklich nicht, dass Sie etwas zu befürchten haben», sagte er. «Alle Unannehmlichkeiten werden Ihnen erspart bleiben. Doch nun zur Geldfrage: haben Sie so viel, wie Sie im Augenblick benötigen? Ich meine», fügte er hinzu, als sie ihn fragend ansah, «verfügbares Geld. Bargeld. Sonst könnte ich Ihnen den Betrag, den Sie brauchen, zur Verfügung stellen lassen.»
    «Das dürfte nicht nötig sein», sagte Raymond, der d a beistand, «Mr. Ackroyd hat erst gestern einen Scheck über hundert Pfund eingelöst.»
    «Ja. Um Löhne und andere Ausgaben zu bestreiten. Bis jetzt ist der Betrag noch unangetastet.»
    «Wo ist das Geld? In seinem Schreibtisch?»
    «Nein, er verwahrte sein Bargeld immer in seinem Schlafzimmer. In einer alten Kragenschachtel, um genau zu sein. Tolle Sache, nicht?»
    «Ich denke», erwiderte der Anwalt, «bevor ich gehe, sollten wir uns vergewissern, ob das Geld wirklich dort ist.»
    «Natürlich», pflichtete der Sekretär bei. «Ich will Sie gleich hinaufführen … Oh, ich vergaß. Die Tür ist ve r sperrt.»
    Erkundigungen bei Parker ergaben, dass der Inspektor sich zur Zeit im Zimmer der Haushälterin aufhielt, um einige ergänzende Fragen zu stellen. Wenige Minuten später schloss er sich der Gesellschaft an. Er selbst sperrte auf. Die Tür zu Ackroyds Schlafzimmer stand offen; es war dunkel, genau wie am vergangenen Abend.
    Der Inspektor zog

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