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Alibi

Alibi

Titel: Alibi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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leise vor sich hin. «Nun, vielleicht war nichts zu erhoffen. Doch hätte es viel bedeutet, wenn …»
    Er brach plötzlich ab. Dann griff er mit der Hand nach einem der Bauernstühle und löste etwas von ihm.
    «Was ist das?», rief ich. «Haben Sie etwas gefunden?»
    Er lächelte und hielt mir die geöffnete Hand hin. Ein Stückchen steifen, weißen Batists lag auf seiner Handfläche.
    Ich ergriff es, betrachtete es neugierig und gab es ihm zurück.
    «Wofür halten Sie das, mein Freund?»
    «Für das abgerissene Stück eines Taschentuchs», rief ich.
    Da bückte er sich noch einmal und hob einen Federkiel, augenscheinlich eine Gänsefeder, vom Boden auf.
    «Und das?», fragte er triumphierend.
    Wortlos starrte ich ihn an.
    Er ließ die Feder in seine Tasche gleiten und betracht e te das Stück Stoff noch einmal.
    «Ein Bruchteil eines Taschentuches?», sann er. «Vielleicht haben Sie recht. Aber merken Sie sich folgendes: Eine gute Wäscherei stärkt kein Taschentuch.»
    Er nickte mir siegessicher zu, dann verwahrte er das Stückchen Stoff sorgsam in seinem Notizbuch.

9
     
    W ir kehrten zum Haus zurück. Poirot blieb auf der Terrasse stehen und ließ seinen Blick nach allen Richtungen schweifen.  
    «Ein schöner Besitz», sagte er schließlich bewundernd. «Wer erbt ihn?»
    Ich erschrak über seine Worte. Es ist merkwürdig, aber bis zu diesem Augenblick war mir die Erbschaftsfrage noch gar nicht in den Sinn gekommen. Poirot beobachtete mich scharf.
    «Das scheint Ihnen ein völlig neuer Gedanke zu sein», sagte er endlich. «Fiel Ihnen das nicht früher ein?»
    «Nein», sagte ich wahrheitsgetreu. «Ich wollte, ich hätte daran gedacht.»
    Er blickte mich wieder seltsam an.
    «Ich wüsste gern, was Sie meinen», erwiderte er nachdenklich. «Ach nein», wehrte er ab, als ich antworten wollte. «Unnötig! Sie würden mir doch Ihre wahren Ge danken nicht verraten.»
    «Jeder hat etwas zu verbergen», zitierte ich lächelnd.
    «Sehr richtig.»
    «Glauben Sie noch immer daran?»
    «Mehr denn je, mein Freund. Aber es ist nicht leicht, vor Hercule Poirot etwas zu verbergen. Glauben Sie mir, er versteht es, alles herauszubringen.»
    Während des Sprechens schritt er die Stufen des holländischen Gartens hinab.
    «Gehen wir ein wenig spazieren», sagte er. «Die Luft ist heute so würzig.»
    Ein Weg, zu beiden Seiten von gepflegten Blumenbeeten eingefasst, führte zu einem Goldfischteich und einer runden, gepflasterten Nische mit einer Bank. Poirot wählte einen anderen Pfad, der sich an einem bewaldeten Hügel hinaufzog. An einer Stelle waren die Bäume ausgeholzt und Bänke aufgestellt worden. Von hier aus hatte man einen herrlichen Ausblick über das Land. Unmittelbar zu unseren Füßen lag die Nische mit dem Goldfischteich.
    «Wie schön ist England», sagte Poirot. Dann lächelte er. «Und auch die englischen Mädchen», fügte er leiser hinzu. «Pst, mein Freund, betrachten Sie das hübsche Bild dort unten.»
    Jetzt erblickte ich Flora. Sie kam den Pfad entlang, den wir eben verlassen hatten, und summte ein Liedchen vor sich hin.
    Plötzlich trat ein Mann aus den Büschen. Hektor Blunt. Das Mädchen fuhr zusammen. Sein Gesichtsausdruck änderte sich ein wenig.
    «Haben Sie mir einen Schreck eingejagt!»
    Blunt erwiderte nichts und blickte sie schweigend an.
    «Was ich an Ihnen so liebe», spöttelte Flora, «ist Ihre lebhafte Unterhaltungsgabe.»
    Ich glaube, Blunt errötete unter seinem tiefen Braun.
    Als er endlich sprach, klang seine Stimme fremd; sie war merkwürdig wehmütig geworden.
    «War nie ein guter Gesellschafter. Nicht einmal, als ich noch jung war.»
    «Das muss schon lange her sein.»
    Mir entging das verhaltene Lachen in ihrer Stimme nicht. Aber ich glaube kaum, dass Blunt es bemerkte.
    «Ja», sagte er schlicht. «Sie haben recht.»
    «Wie fühlt man sich als Methusalem?», fragte Flora.
    Diesmal war das Lachen nicht zu überhören. Doch Blunt hing seinen eigenen Gedanken nach.
    «Nach Ihren Reden zu schließen, müsste man denken, dass Sie uralt sind», rief Flora halb ärgerlich, halb belu s tigt.
    Blunt schwieg wieder ein Weilchen. Dann blickte er von Flora weg und bemerkte, dass es nun für ihn an der Zeit sei, nach Afrika zurückzukehren.
    «Werden Sie wieder eine Expedition unternehmen, um allerhand zu schießen?»
    «Ich hoffe es. Das tue ich gewöhnlich, wie Sie wissen – allerhand schießen, meine ich.»
    «Sie haben auch die Tiere in der Halle erlegt, nicht wahr?»
    Blunt

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