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Alibi

Alibi

Titel: Alibi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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zusammen und hat in diesem Fall ein perfektes Alibi.»
    «Wenn er ein perfektes Alibi hat», erwiderte ich, «weshalb tritt er dann nicht hervor, um es nachzuweisen?»
    «Vielleicht um dem Mädchen keine Unannehmlichkeiten zu bereiten», bemerkte Caroline weise. «Wenn aber Mr. Poirot sie findet und ihr nahelegt, was ihre Pflicht ist, wird sie sich freiwillig melden und Ralph entlasten.»
    «Du scheinst dir ein romantisches Märchen zurechtgelegt zu haben. Du liest zu viele kitschige Romane, Caroline. Ich habe dir das schon immer gesagt.»
    Wieder sank ich in meinen Lehnstuhl.
    «Hat Poirot noch nach anderem gefragt?», erkundigte ich mich.
    «Nur nach den Patienten, die an jenem Tag bei dir waren.»
    «Nach den Patienten?», fragte ich ungläubig.
    Sie blieb von meinem Unglauben ganz unberührt.
    «Ja, nach deinen regelmäßigen Patienten. Wie viele kamen, und wer sie waren.»
    «Willst du vielleicht behaupten, dass du ihm darüber Auskunft geben konntest?», fragte ich.
    Caroline ist wirklich verblüffend.
    «Weshalb nicht?», fragte sie. «Ich kann den Weg, der zur Tür des Sprechzimmers führt, von meinem Fenster aus überblicken. Und ich habe ein ausgezeichnetes Gedächtnis, James. Weit besser als deins.»
    «Davon bin ich überzeugt», murmelte ich mechanisch.
    Meine Schwester zählte die Namen an den Fingern her.
    «Da war die alte Mrs. Bennet und der Junge mit dem bösen Finger von der Farm, dann Dolly Grice, der du eine Nadel aus dem Finger zogst, dann der amerikanische Steward von dem Dampfer. Warte – das sind vier. Ja, und der alte George Evans mit dem Geschwür. Und zum Schluss …»
    Bedeutungsvoll hielt sie inne.
    «Nun?»
    Triumphierend bereitete sie die Steigerung vor. Sie zischte es in erprobter Art heraus.
    «Miss Russell!»
    Dann lehnte sie sich in ihrem Stuhl zurück und blickte mich vielsagend an; und wenn Caroline jemand vielsagend anblickt, so ist das unmöglich zu übersehen.
    «Ich weiß nicht, was du meinst», fragte ich unaufrichtig. «Weshalb sollte Miss Russell wegen ihres kranken Knies nicht meinen Rat einholen?»
    «Ein krankes Knie?», wiederholte Caroline. «Unsinn! Nicht kränker als deines und meines. Sie hatte ganz andere Absichten.»
    «Und die wären?»
    Caroline musste zugeben, dass sie das nicht wusste.
    «Aber verlass dich darauf – dahin wollte er gelangen. Mr. Poirot meine ich. Es stimmt etwas nicht mit dieser Frau, und er weiß es.»
    «Genau die gleichen Worte gebrauchte Mrs. Ackroyd gestern, als ich mit ihr sprach.»
    «Ah», sagte Caroline düster. «Mrs. Ackroyd ist auch so!»
    «Wie?»
    Caroline lehnte es ab, ihre Bemerkungen zu erläutern. Sie nickte nur mehrmals mit dem Kopf, rollte ihr Strickzeug zusammen und ging in ihr Zimmer, um ihre grell-lila Seidenbluse und das Medaillon anzulegen. Sie nannte das «zum Dinner umkleiden».
    Ich blieb sitzen, starrte in die Glut und überdachte Carolines Worte. War Poirot wirklich mit der Absicht gekommen, etwas über Miss Russell in Erfahrung zu bringen, oder entsprang dies nur Carolines grübelndem Verstand, der alles nach seiner eigenen Auffassung auslegte?
    In Miss Russells Benehmen war an jenem Morgen nichts Verdächtiges gewesen.
    Ausgenommen …
    Ich entsann mich ihrer wiederholten Erwähnung von Betäubungsmitteln, von Giften und Vergiftungen. Aber da steckte nichts dahinter. Ackroyd war nicht vergiftet worden. Dennoch war es seltsam.
    Ich hörte Carolines Stimme ziemlich scharf von oben nach mir rufen.
    «James, du wirst zu spät zum Dinner kommen.»
    Ich legte Kohlen auf das Feuer und ging dann gehorsam hinauf. Es ist immer gut, Frieden im Hause zu haben.

12
     
    F ür den Montag war eine nicht öffentliche Unters u chung angesetzt. Ich beabsichtige nicht, ihren Ve r lauf in allen Einzelheiten zu schildern. Ich wurde über die Todesursache vernommen und über den mu t maßlichen Zeitpunkt der Tat. Die Abwesenheit Ralph Patons blieb nicht unerwähnt, doch wurde sie nicht übermäßig hervorgehoben.  
    Nachher hatten Poirot und ich eine kurze Unterredung mit Inspektor Raglan. Der Inspektor war sehr ernst. «Es sieht bös aus, Mr. Poirot», meinte er. «Ich bemühe mich, die Dinge unbefangen zu beurteilen. Ich lebe hier, habe Captain Paton oft in Cranchester gesehen und möchte lieber nicht den Schuldigen in ihm vermuten – aber weshalb wagt er sich nicht hervor, wenn er unschuldig ist? Wir haben Beweismaterial, das gegen ihn spricht, doch könnten diese Beweise widerlegt werden. Weshalb gibt er keine

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