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Alibi

Alibi

Titel: Alibi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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Erklärung?»
    Hinter den Worten des Inspektors verbarg sich viel mehr, als ich damals wusste. Ralphs Personenbeschreibung war an alle Häfen und Bahnstationen Englands telegrafiert worden. Überall suchte die Polizei nach ihm. Es schien unmöglich, einem solchen Netz zu entschlüpfen. Ralph hatte kein Gepäck und, soviel bekannt war, auch kein Geld.
    «Ich kann niemanden ausfindig machen, der ihn in jener Nacht auf dem Bahnhof gesehen hätte», fuhr der Inspektor fort. «Und doch ist er hier gut bekannt, und man sollte annehmen, dass ihn irgend jemand bemerkt haben müsste. Auch aus Liverpool ist nichts zu hören.»
    «Sie denken, er ist nach Liverpool gefahren?» fragte Poirot.
    «Das liegt doch auf der Hand. Die telefonische Nachricht vom Bahnhof, drei Minuten vor Abgang des Zuges nach Liverpool, muss doch etwas bedeuten.»
    «Vielleicht sollte sie uns nur von der richtigen Spur ablenken.»
    «Das ist eine Idee», sagte der Inspektor lebhaft. «Glauben Sie wirklich, dass der Anruf so zu erklären ist?»
    «Mein Freund», entgegnete Poirot ernst, «ich weiß es nicht. Aber ich will Ihnen folgendes sagen: Ich glaube, sobald wir den Anruf geklärt haben, ist auch das Geheimnis des Mordes gelöst.»
    «Mir fällt ein, dass Sie schon einmal etwas Ähnliches andeuteten», bemerkte ich und sah ihn neugierig an.
    Poirot nickte.
    «Ich komme immer wieder darauf zurück», sagte er ernst.
    «Mir scheint es äußerst belanglos», erklärte ich.
    «Ich möchte das nicht behaupten», wandte der Inspektor ein, «doch muss ich gestehen, dass meiner Ansicht nach Mr. Poirot zu viel Wert darauf legt. Wir haben bessere Anhaltspunkte. Die Fingerabdrücke auf dem Dolch zum Beispiel!»
    «Fingerabdrücke!», rief Poirot. «Vorsicht, Monsieur l’Inspecteur. Vielleicht führen sie zu nichts!»
    «Ich verstehe nicht, wie das möglich sein sollte», entgegnete der Beamte. «Vermutlich wollen Sie andeuten, dass es Fälschungen seien? Ich habe zwar gelesen, dass solche Dinge vorkommen, aber mir ist in meiner Praxis dergleichen noch nicht begegnet. Ob nun Fälschungen oder nicht – irgendwohin müssen sie doch führen.»
    Poirot zuckte die Achseln.
    Nun zeigte uns der Inspektor einige vergrößerte Aufnahmen jener Fingerabdrücke und flocht technische Wendungen wie «Schlingen» und «Windungen» in das Gespräch ein.
    «Sehen Sie», sagte er schließlich, durch Poirots gleichgültiges Verhalten gereizt. «Sie müssen doch zugeben, dass diese Abdrücke von jemandem herrühren, der in jener Nacht im Haus war?»
    «Selbstverständlich», sagte Poirot und nickte.
    «Und ich habe die Fingerabdrücke aller Haushaltsmitglieder, aller, verstehen Sie, von der alten Dame angefangen bis hinunter zum Küchenmädchen.»
    «Ich glaube nicht, dass Mrs. Ackroyd sehr erfreut wäre, wenn sie wüsste, dass man sie eine ‹alte Dame› nennt. Sie scheint erhebliche Summen für Schönheitsmittel auszugeben.»
    «Und keiner der Abdrücke stimmt mit denen auf dem Dolch überein. Das lässt zwei Möglichkeiten zu: entweder Ralph Paton oder der geheimnisvolle Fremde, von dem der Doktor uns erzählte! Bis wir diese beiden haben …»
    « … wird viel kostbare Zeit verloren gegangen sein», fiel ihm Poirot ins Wort.
    «Ich verstehe Sie nicht ganz, Mr. Poirot!»
    «Sie haben von allen im Haus Fingerabdrucke genommen, sagen Sie», flüsterte Poirot. «Sprechen Sie die volle Wahrheit, Monsieur?»
    «Gewiss.»
    «Ohne jemanden zu übersehen?»
    «Ohne jemanden zu übersehen.»
    «Die Lebenden wie die Toten?»
    Einen Augenblick sah ihn der Inspektor verblüfft an.
    «Sie meinen …»
    «Den Toten, Monsieur l’Inspecteur.»
    Es dauerte immer noch einige Zeit, bis der Inspektor begriff.
    «Ich wollte andeuten», meinte Poirot gelassen, «dass die Fingerabdrücke auf dem Dolchgriff vielleicht von Mr. Ackroyd selbst stammen. Es ist nicht schwer dies festzustellen. Sein Leichnam ist noch in Reichweite.»
    «Warum aber? Was sollte das der Sache nützen? Sie wollen doch damit nicht etwa sagen, dass es Selbstmord war, Mr. Poirot?»
    «O nein! Meiner Ansicht nach trug der Mörder Handschuhe oder hatte etwas um die Hand gewickelt. Nach dem Stoß ergriff er dann die Hand seines Opfers und schloss sie um den Dolchgriff.»
    «Weshalb aber?»
    «Um einen verworrenen Fall noch verworrener zu machen.»
    «Nun», sagte der Inspektor, «ich will das untersuchen. Wann sind Sie denn auf den Gedanken gekommen?»
    «Als Sie so gütig waren, mir den Dolch zu zeigen und meine Aufmerksamkeit

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