Alice@Hollywood
Miller, der den Zwerg mit einem Arm festhielt. Kampatzky quiekte ein wenig, löste sich aus der Umklammerung, und als er wieder festen Boden unter seinen Füßen spürte, rannte er los wie Forrest Gump.
»Hat der Kerl Sie belästigt ?« , fragte Miller fürsorglich.
»Nicht wirklich«, log ich. »Das ist nur so ein Spielchen. Kümmern Sie sich lieber darum, dass Sie Ihre Schlagtechnik verbessern. Das ist ja lebensgefährlich !«
Miller nickte verständnisvoll und sah mich an, als befürchte er, der Baseballtreffer hätte bereits irreparable Schäden angerichtet.
»Es ist alles in Ordnung«, fügte ich hastig hinzu. »Sie können gehen .«
Der Tiger lächelte noch einmal flüchtig, dann verschwand er in der Mannschaftsbaracke. Ich bin so blöd, dachte ich. Es war ein Unfall. Er wollte einfach nur nett sein und rettet mich auch noch vor dem Gegrapsche der Fleischkugel aus der Buchhaltung. Und was mache ich? Ich spiele die unnahbare Lady und lasse ihn hochnäsig abblitzen wie ein x-beliebiges Big-Brother-Sternchen, das glaubt, mit dem Containeraufenthalt in den Promi-Olymp eingecheckt zu haben. Ich überlegte kurz, ob ich ihm nachgehen sollte, doch da hielt ein VW-Bus vor mir, aus dem Herr Bartholomäus winkte. Er bot mir an, mein Fahrrad hinten einzuladen und mit ihm und den Grillutensilien zurück nach Hause zu fahren. Dankbar willigte ich ein, während die anderen mit ihren Rädern zum nächsten Bahnhof strampelten, um sich in einer überfüllten Regionalbahn auf den Heimweg zu machen.
. Den ganzen Sonntag hatte ich Kopfschmerzen, und obwohl es mir am Montag schon wesentlich besser ging, meldete ich mich krank. Ich hatte keinen Bock, mir das ganze dämliche Geschwätz über meinen persönlichen Homerun anzuhören, womöglich allen Kollegen meine inzwischen blaugelbe Schwellung zeigen zu müssen. Und auf Kampatzkys blödes Gesicht und seine fadenscheinigen Entschuldigungen hatte ich erst recht keine Lust. Stattdessen kreisten meine Gedanken um diesen Werfer der Tigers. Meine Internetrecherche verlief erfolglos. Neben den gängigen Hits wie Miller-Bier und Steve-Miller-Band gab es zirka einhunderttausend Einträge zu den Suchbegriffen »Miller« + »Baseball«. Die Internetseite der zweiten Baseball-Liga war scheinbar seit einem Jahr nicht mehr aktualisiert worden. Damals hatte er offensichtlich noch nicht in Deutschland gespielt. Was soll's, dachte ich mir. Es ist auch nur ein Kerl, der mich mit einem Baseball am Kopf getroffen hat, nichts weiter. Zwar ein gut aussehender, aber trotzdem nur ein Mannschaftssportler. Und die sind ja bekanntlich weder treu noch besonders helle.
Was war eigentlich los mit mir? Seitdem sich mein E-Mail-Flirt Alex als Alexandra entpuppt hatte, war ich in Bezug auf Dates außergewöhnlich vorsichtig geworden. Zwischenzeitlich hatte ich sogar mal überlegt, lesbisch zu werden, um mir weitere Enttäuschungen zu ersparen. Aber der Gedanke, dass sich eine andere Frau womöglich ständig meine Klamotten ausleihen will, gefiel mir ganz und gar nicht. Dann kam ich in die Phase, in der ich mir einredete, das Beste, was mir passieren konnte, sei Single zu bleiben. Kurz darauf aber ertappte ich mich dabei, wie ich stumm an der U-Bahn-Station vor einem Werbeplakat mit einem durchtrainierten Calvin-Klein-Unterhosenmodell verharrte. Mir wurde klar, dass es allmählich an der Zeit war, sich wieder unverbindlich umzuschauen. Einfach mal den Marktwert checken, dachte ich, völlig ohne feste Absichten. Ich surfte im Internet durch diverse Kontaktbörsen, gewann aber schnell den Eindruck, dass die meisten Typen, die sich da anpreisen, bloß bei ihrem letzen Mallorca-Urlaub zu wenig »Abschüsse« zu verzeichnen hatten. Von fünfzig angeklickten Steckbriefen gab es nur zwei, in denen der Bewerber außer Alter und Größe noch ein paar weitere Fakten von sich preisgab. Die anderen beschrieben lediglich ihre obskuren Objekte der Begierde. Der Hälfte der Kerle war Oberweite wichtig, am besten in Kombination mit einem Jennifer-Lopez -Po. Daneben waren Kriterien wie trinkfest und immer gut gelaunt hoch im Kurs. Treue und Verständnis schienen im Moment überhaupt nicht gefragt. Wahrscheinlich bin ich mit über dreißig auch schon zu alt, um im Internet den Mann meiner Träume zu finden. »Surfergirl« sucht »Beachlover« passt irgendwie nicht mehr. Eher »Desperate« sucht »Jemanden, dem das nicht auffällt«. Aber auch die konventionellen Methoden der Partnersuche schienen mir nicht wirklich Erfolg
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