Alice@Hollywood
vermochte ich allerdings auch nicht zu beantworten. Abgesehen von ein paar kleinen Vokabelverdrehern war Steves Deutsch ausgesprochen gut. Und für einen Amerikaner war er sehr gebildet. Er wusste sogar, dass in Deutschland nicht alle Männer Lederhosen und Hüte mit Gamsbärten tragen müssen. Wir unterhielten uns eine Weile angeregt, und ich erfuhr, dass er achtundzwanzig ist, sehr spät angefangen hat, Sport und Kommunikationswissenschaften zu studieren, und zur Zeit ein Gastsemester an der hiesigen Uni absolvierte. Ansonsten war Steve in New York eingeschrieben. Aber was noch viel besser war: Steve zeigte ernsthaftes Interesse an meinem Leben, an meinem Job und an meiner Vorliebe für Marzipan-Walnuss-Kuchen. Ich schaute mich um. Das Dezentral war mal wieder eine Ansammlung von coolen Medienfuzzis, und das häufigste Wort in den Gesprächen an den Nebentischen war »Ich«.
»Lass uns gehen !« , entschied ich, »Du passt nicht hierher.« Steve hatte zwar keine Ahnung, wovon ich sprach, übernahm aber dennoch die Rechnung und folgte mir, ohne nachzuhaken. Schweigend gingen wir nebeneinander her, aber ich hatte nicht das Gefühl der peinlichen Stille. Ich hing ein wenig meinen Gedanken nach, bis Steve mich plötzlich heftig am Arm packte und zu sich heranzog. Oh nein, schoss es mir durch den Kopf, jetzt wird er zudringlich. Aber er ließ mich in derselben Sekunde wieder los und deutete auf einen überdimensionalen Hundehaufen auf dem Parkweg, in den ich fast hineingetrampelt wäre. Ich schämte mich für meine schlechten Gedanken und fing eine Diskussion über Hundebesitzer an, die ihre Köter auf Kinderspielplätzen ohne Leine herumlaufen lassen.
»1000 Euro Strafe und zehn Tage Gefängnis für jeden, der sich nicht dran hält !« , beendete ich meine Ausführungen. Steve regte an, man solle vielleicht erst einmal im Guten an die Hundebesitzer appellieren, und ich überlegte, ob jemand mit einer solchen Einstellung wirklich Amerikaner sein kann.
Wir spazierten noch eine Weile weiter und setzten uns schließlich knapp oberhalb einer Schleuse, die den Parksee von dem zufließenden Bach abgrenzt, auf eine Bank. Wir sprachen über Sport, Kunst und Politik. Steve verurteilte die amerikanische Umweltpolitik und begrüßte die Legalisierung der Homo-Ehe. Leider seien bislang nur wenige Bundesstaaten so fortschrittlich. Allmählich kam mir der Typ schon fast suspekt vor, denn er hatte in allen Dingen unglaublich moderate und ausgewogene Ansichten. Und das, obwohl er ein Mann ist. Irgendwas konnte da nicht ganz in Ordnung sein. Ich überlegte noch, ob es eine ausgefeilte Methode sein konnte, um mich ins Bett zu kriegen, als plötzlich ein mittelgroßer, weißer Hund, eine fiese Promenadenmischung, an meinem Bein schnupperte.
»Siehst du !« , sagte ich und versuchte den Köter wegzuschubsen, »wieder einer ohne Leine!«
In einiger Entfernung erspähte ich eine ältere Dame in fliederfarbenem Trenchcoat, die eine Hundeleine in der Hand baumeln ließ, aber überhaupt keine Anstalten machte, ihren Fiffi zurückzupfeifen. Der Bettvorleger wurde immer aufdringlicher und begann auch noch damit, mein Bein zu umklammern, um sich in einen wilden Paarungsakt hineinzusteigern.
»Nun tu doch was !« , jaulte ich Steve hilflos an.
Steve griff nach einem Ast an dem Baum neben unserer Bank ,, brach ihn ab und schob ihn zwischen den Rammler und mein Bein. Mit einer weit ausladenden Hebelbewegung trennte er das Vieh von mir. Steve gab ihm noch einen Klaps auf das Hinterteil. Schuldbewusst kläffend zog sich der vierbeinige Potenzbolzen ein paar Meter zurück, blieb dann aber stehen und knurrte uns an. Steve holte mit dem Stock aus und schleuderte ihn in Richtung Kläffer, den er um ein paar Zentimeter verfehlte. Der Ast landete im angestauten Wasser kurz unterhalb der Schleuse. Fiffi zögerte nicht lange, drehte sich um und sprang dem Holz nach. Der Stock trieb auf die Schleuse zu und geriet in einen Strudel vor dem Tor. Genauso wie der Hund. Erst jetzt setzte sich die Oma im Trench in Bewegung. Sie rannte, wilde Flüche ausstoßend, auf uns zu. Schon war der Hund für Sekunden unter Wasser. Steve sprang auf und hechtete in den See. Mit zwei, drei kurzen Kraulbewegungen war er am Schleusentor und erwischte Fiffi in letzter Sekunde, bevor ihn der Strudel endgültig in die Tiefe reißen konnte. Den zitternden Hund fest unter den Arm geklemmt, watete der Retter aus dem Wasser.
»Herr Lehmann, mein kleiner Lehmann«, winselte die
Weitere Kostenlose Bücher