Alice@Hollywood
Oma, als Steve ihr das Bündel überreichte. Dann zückte die alte Dame unvermittelt ihren Spazierstock und schlug auf unseren Helden ein.
»Sie hätten ihn fast ersaufen lassen«, keifte sie Steve an. Je mehr sie prügelte, desto schneller erwachten auch die Lebensgeister in ihrem behaarten Begleiter, der sich daranmachte, Steve in die Beine zu beißen. Ein kurzer Blick auf meine spitz zulaufenden Pumps reichte mir als Inspiration. Ein gezielter Tritt in die Seite, und der Beißer landete jaulend auf dem Kiesweg. Ich griff Steves Hand.
»Lös, lauf !« , schrie ich. Wir gaben Fersengeld, bis wir keuchend am Ende der Parkanlage in Sicherheit waren. Steve triefte wie das Wassergespenst von Harrowby Hall. Ich konnte mir ein Lachen nicht verkneifen. Doch meine Schadenfreude hielt nicht lange. Ein heftiger Donner kündigte ein Unwetter an, und binnen fünf Sekunden prasselte ein orkanartiger Wolkenbruch über uns nieder. Jetzt war alles egal. I'm singing in die rain. Steve und ich hüpften durch die Pfützen wie Schulkinder und hatten einen Heidenspaß auf dem Heimweg. Als wir vor meinem Haus angekommen waren, ließ der Regen nach. Wir standen uns vor meiner Tür gegenüber, schauten uns an. Ich hatte im Inneren ein so wohliges Gefühl, dass mich Steve nach einer Weile darauf aufmerksam machen musste, dass ich zitterte.
»Du musst reingehen, sonst holst du dir noch eine Gefrierung !« , sagte er sanft.
»Erkältung !« , korrigierte ich und griff nach seinen Händen. »Du aber auch«, fügte ich hinzu. »Willst du noch mit raufkommen ?«
Er schaute mich liebevoll an und schüttelte dann ganz zaghaft den Kopf.
»Nein. Besser nicht. Dafür mag ich dich viel zu gern .«
Steve löste seine Hände aus meinen und streichelte mir zärtlich über die Wange. Dann drehte er sich um und lief winkend davon.
Steve war schon längst verschwunden, als mir endlich wieder auffiel, dass ich fröstelte. Ich ging hoch in meine Wohnung und zog meine durchnässten Klamotten aus.
»Dafür mag ich dich viel zu gern«, hörte ich noch einmal seine Stimme in meinem Kopf, und mein Herz begann zu rasen. Ich konnte es nicht leugnen: Ich hatte mich in den Tiger verliebt!
3. CHICKEN RUN
Als ich das erste Mal aufwache, gegen sieben Uhr früh, läuft über meinen Nachtschrank eine kleine Kakerlake. Leider bin ich noch zu müde, um mich über dieses Ungeziefer gehörig aufzuregen, und sinke zurück in einen leichten, aber traumvollen Schlaf. Erst ein paar Stunden später rapple ich mich aus den Kissen und schleiche durch die Wohnung. Die Kakerlake scheint schon zur Arbeit gegangen zu sein. Die Mädels pennen noch alle, und ich beschließe, meinen ersten Tag in New York stilvoll mit einem Frühstück bei Tiffany's zu beginnen. Jennys dunkelgrüne Samthose in Kombination mit dem Nadelstreifensakko des Wohnungsinhabers steht mir ausgezeichnet. Dazu großzügig aufgetragener Lippenstift in Pearl-Fuchsia mit Glanzeffekt. So ausstaffiert tigere ich los. Ein Bagel-Shop an der Ecke lockt mich mit Cheddar Rolls und ausgesprochen gut duftendem Kaffee. Beides lasse ich mir einpacken. Ich freue mich darüber, wie gut dem italienischen Bagelbäcker die Farbe meiner Lippen gefällt. Das muss man den Italienern lassen: Sie sind einfach Ästheten und um kein Kompliment verlegen.
»Oh, Mamma mia. Du hast so wunderschöne Mund. Eine Angebot zum Küssen. Wenn du misch lässt, bekommst du Frühstück umsonst !«
Große Klasse. Da habe ich an meinem ersten Tag schon drei Dollar fünfzig gespart. Der kleine Italiener schießt schnell noch ein Foto von mir, und ich bekomme sogar einen Orangensaft gratis dazu. Im Handumdrehen bin ich auch schon wieder auf der Straße. Ein Taxi fährt mich direkt zur Fifth Avenue Ecke Siebenundfünfzigste, von wo aus ich die paar Schritte zu Tiffany's zu Fuß gehe. Der Luxusjuwelier hat bereits geöffnet, also stolziere ich hinein und gehe mit meiner Frühstückstüte geradewegs auf eine Vitrine zu, in der eine Kollektion von Trauringen ausgestellt ist. Der billigste davon kostet schlappe dreitausendzweihundert Dollar. Tiffany's - ein angemessener Platz für mein American Breakfast, finde ich. Kaum habe ich Kaffee und Stullen ausgepackt, als auch schon ein livrierter Bediensteter heraneilt.
»Can I help you?«, will er wissen. Ich erliege seinem zuckersüßen Lächeln und will ihn nicht enttäuschen. Also bitte ich den aufmerksamen Angestellten um ein Silberbesteck. Er verzieht sich, um nachzuschauen, ob sich in den Safes im
Weitere Kostenlose Bücher