Alice@Hollywood
Multi-Media-Center wieder. Die Flachbildschirme und Lautsprecherboxen lassen mich an die Skyline von Manhattan denken. Wahllos greift Mike ein paar Kassetten aus seiner Heimvideothek. Fünf oder sechs Bänder mit Ausschnitten aus legendären Standup-Programmen.
»Du musst dir unbedingt noch diese Tapes reinziehen. Meilensteine, sage ich dir! Andy Kaufman, Gary Shandling oder der unvergleichliche Arsenio Hall!«
»Ich dachte, wir würden vögeln !« , bremse ich enttäuscht seinen Enthusiasmus.
Mike hält inne und fängt an zu lachen. Er kriegt sich gar nicht mehr ein. Mein Timing sei absolut perfekt. So auf den Punkt, wie bei »Eine schrecklich nette Familie«. Und er zitiert sofort zwei seiner Lieblingssprüche aus der Serie. Dann legt Mike eine Eins-a-Al-Bundy-Parodie hin, während er seine Hose auszieht. Ich komme weder dazu, ihm zu sagen, dass das mit dem Vögeln ein Witz war, noch, dass ich Bill Cosby viel lieber mag. Da sitzt er auch schon auf meinem Schoß. Was soll's, denke ich. Vielleicht ist es wirklich das, was ich im Moment brauche. Zur Entspannung, nach dem ganzen Stress.
»Kann ich dabei Fernsehen gucken ?« , will ich wissen, und Mike hält auch das für eine »super Line«. Absolut witzig! Er kontert mit: »Okay Peg. Schön, dass du auch mal was von mir gelernt hast!«
Was dann folgt, ist das lustigste Vorspiel, dass ich je hatte. In einer Art Rollenspiel schlüpfen wir abwechselnd in die Charaktere und spielen die komplette Folge »Alice und Mike kriegen's nicht hin«. Nach 23 Minuten liegen wir beide nackt vor dem Fernseher und erholen uns von einem Dutzend Lach-Flashes. Wenn Mike auf der Bühne genauso witzig wäre wie in seinen eigenen vier Wänden, könnte er sich wirklich einen Goldständer leisten. Wir geben uns einen freundschaftlichen Kuss und kommen überein, dass Sex diesen gelungenen Abend jetzt echt nur zerstören würde. Stattdessen sehen wir uns dann doch noch ein paar alte Standup-Highlights an. Schließlich landen wir beim Zappen auf Channel 7 Chicago. Die Polizei hat einen Erfolg in der Fahndung nach den Bankräubern erzielt. Auf Grund eines Hinweises einer Österreicherin, die leider kein Englisch spricht, wurden zwei Männer in ihrem blauen Ford Coupe festgenommen. Sie haben die Tat bereits gestanden. Und jetzt bin ich tatsächlich noch einmal in den Nachrichten zu sehen. Mein Statement ist englisch untertitelt. Mike strahlt mich an.
»Klasse, Alice ... aber du hättest dich echt vorher schminken sollen !«
8. WALLAMALOO TiME-WARP INN
Die USA sind ein Reiseland, das mehr zu bieten hat als das Klischee, dass alles größer ist als bei uns. Der Kaffee, den wir gerade serviert bekommen, bestätigt diese Auffassung überzeugend: Wären die Tassen noch winziger, bräuchten wir Pinzetten, um sie zu greifen. Groß war lediglich die Karte mit der Auswahl der Geschmacksrichtungen. Ich bin erstaunt, wie vielfältig die Möglichkeiten sind, den Geschmack eines Getränks mit Zusatzstoffen zu ruinieren. Nina hat sich für eine Zimt-Haselnuss-Kombination entschieden, in der das Vorhandensein von Kaffee nur noch mit Hilfe eines Nobelpreisverdächtigen Analyseverfahrens nachzuweisen wäre. Sie mag's, weil es Geld spart: Ein Stück Kuchen ist in dem Gesöff bereits enthalten. Ruth wollte Tee und bekam etwas Scotch-Farbenes mit Eiswürfeln drin. Jetzt versucht sie verzweifelt und vergeblich, die Kellnerin von der Vorstellung abzubringen, Tee käme in der Natur ausschließlich in Pulverform vor.
Wir sitzen auf der kleinen Terrasse eines noch kleineren Cafes in einem noch kleineren Nest, das Wallamaloo heißt oder so ähnlich. Es lümmelt vier Autostunden jenseits von Chicago in der Landschaft herum. Wallamaloo besteht aus einer Ansammlung niedriger Läden für den täglichen Bedarf, die darauf warten, dass sich ein paar Leute ansiedeln, die auch einen täglichen Bedarf haben. Die Häuser sind in zwei parallelen Reihen angelegt, die den Platz dazwischen in den Rang einer Main Street erheben. Durch dieses geschickte städtebauliche Konzept konnte auf den Bau weiterer Straßen verzichtet werden. Orte wie dieser wirken, als habe man sie nur aufgestellt, um dem Auge auf langen Überlandfahrten etwas Abwechslung zu bieten. Oder Touristinnen auf der Durchreise Einblicke in die amerikanische Heißgetränkkultur. Auf unserem Weg in die tiefste Provinz des Staates Wisconsin legen wir hier einen Zwischenstopp ein. Wir haben nämlich den Plan gefasst, Steves Eltern aufzusuchen. Das heißt, ich habe
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