Alice@Hollywood
den Plan gefasst. Nina und Ruth haben den Plan gefasst, mich für bescheuert zu erklären.
»Wir wollten doch nach Westen. Das liegt auf dem Weg«, entschuldige ich mich.
Ein erbärmlicher Versuch, den Nina konsequent aushebelt: »Wenn Steve seinen Hund in Timbuktu in Pflege gegeben hätte, würde das für dich auch auf dem Weg liegen .«
»Letzter Versuch, ehrlich«, sage ich bestimmt. Oder der vorletzte. Ich kann die Geschichte mit Steve nicht so einfach sausen lassen.
Was, wenn alles nur ein dummer Zufall ist? Es gibt tausend harmlose Motive, aus New York zu verschwinden. Und nicht mal die Hälfte davon haben mit Raub, Mord oder Drogendelikten zu tun. Seine beiden Mitbewohner wären für mich schon Grund genug. Wahrscheinlich hat Steve mir eine Plakatgroße Nachricht hinterlassen und seine WG-Blödis haben sie zweckentfremdet.
»Kennst du 'ne Alice?«
»Nö.«
»Haben wir noch Toilettenpapier ?«
»Nö.«
»Wir verstehen dich ja«, sagt Ruth. Dann zwinkert sie Nina zu. »Wir werden uns schon amüsieren .«
»Richtig«, bestätigt Nina und nimmt noch einen Schluck von ihrem Kaffee mit Kuchengeschmack. Sie wirft einen kurzen Blick auf die dösig vor sich hin dämmernde Main Street von Wallamaloo.
»In dem Kaff, in dem Steves Eltern wohnen, braucht dazu nur ein bisschen mehr Stimmung zu sein als in einer Leichenhalle .«
Tapfere Mädels. Lassen sich die Laune nicht verderben. Das sind meine Freundinnen, und ich genieße es, mit ihnen hier im Nirgendwo zu sitzen. Auch wenn große Teile unseres bisherigen Urlaubs fatale Ähnlichkeit mit einem Wettlauf im Minenfeld hatten. Ich lasse mich von der Ruhe dieses kulissenhaften Städtchens ablenken und erinnere mich, dass wir die Tatsache, überhaupt hier zu sein, einem kleinen Wunder verdanken. Ein kleines Wunder, bestehend aus nur einem Wort.
»Genehmigt«, sagte Jens-Uwe, mein Chef.
Wenn Vorgesetzte ein positiv klingendes Wort in den Mund nehmen, ist äußerstes Misstrauen angebracht.
»Was ?« , fragte ich, und der tiefe Argwohn in meiner Stimme war Absicht, »dass ich wieder Überstunden aufgebrummt kriege?«
Jens-Uwe spielte den Strengen. »Alice, Sie haben nicht die richtige Einstellung .«
Wir sind ein modernes Büro. Es wird gesiezt, aber mit Vornamen angeredet. Das zeigt Respekt und vermittelt gleichzeitig das Gefühl, Teil einer großen Familie zu sein. Sätze wie »Alice, Sie sind eine Idiotin !« zeigen deutlich, dass man dazugehört.
Das Urteil über meine Einstellung hatte mein Chef jedoch mit genug Süffisanz versehen, um es ins Gegenteil zu verkehren.
»Sie haben doch einen Urlaubsantrag abgegeben«, erinnerte er mich.
Das stimmte, aber Urlaubsanträge gibt man ab wie Stimmzettel bei der Wahl. Ohne Hoffnung darauf, ernst genommen zu werden. Die Lotterie um den Jahresurlaub läuft immer nach dem gleichen Muster. Die Abteilungsleitung, und nur dafür ist sie ja da, pickt sich die Rosinen aus dem Kuchen. Alle anderen kämpfen am Rande der Legalität um die runtergefallenen Brotsamen. Immer vergebens. Denn die beliebteste Zeit des Jahres bleibt für alle aus mysteriösen Gründen unerreichbar. »Juli, August geht gar nicht !« , ist die standardisierte Antwort auf jedes Urlaubsbegehren. Es wurde sogar zu einem geflügelten Wort. »Hast du mal fünf Minuten ?« - »Kannst du das eben schnell kopieren ?« - »Bringst du mir einen Kaffee mit ?« Auf all das hört man nur: »Juli, August geht gar nicht .«
Nina und Ruth hatten mir vor einiger Zeit die Idee zu einem gemeinsamen Urlaub zu dritt vorgetragen. Sie mussten mich anschließend unter eine kalte Dusche zerren, um meinen hysterischen Lachanfall zu beenden. Ich wollte ihnen die Hoffnung jedoch nicht gänzlich rauben. Ich dachte nach, und plötzlich entdeckte ich, dass es auch eine andere Antwort gab als hysterisches Lachen. »Vergesst es !«
Ich war sicher, den Urlaubsantrag nie durchzukriegen, nicht mal unter Berücksichtigung aller glücklichen Zufälle, ein wenig Schleimerei und dem massiven Einsatz kurzer Röcke.
Und jetzt auf einmal sollte ich ...? Ich konnte es nicht glauben. Jens-Uwe hatte »genehmigt« gesagt. Darauf würde ich ihn festnageln. Wenn nötig vor Gericht. Ich suchte im Hinterkopf nach passenden Straftatbeständen für den Fall, dass sich mein Chef einen üblen Scherz auf meine Kosten erlaubte.
»Ich darf ?« , fragte ich zögernd.
»Sie dürfen«, sagte er.
»Wieso?«
Die Nummer musste einen Haken haben. Man kommt nur an diesen Urlaubstermin, wenn man jemanden
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