Alice@Hollywood
Schaukästen. Mike strahlt.
»Klasse, dass ihr gekommen seid !« , sein Glitzerjackett schmerzt in den Augen. Ehe wir uns eine Ausrede einfallen lassen können, hat er uns auch schon ins Foyer bugsiert. Mike wechselt ein paar Worte mit einer Platzanweiserin aus einer Zahnpastareklame. An den Wänden des Comedy-Clubs hängen Fotos von bekannten und weniger bekannten Comedians.
In schwerem Goldrahmen erkenne ich die Blues-Brothers und
diesen Typen aus »Austin Powers«. '
»Hey, wie heißt der nochmal? Das ist doch der mit dem Goldständer ?« , frage ich in die Runde.
Das Stichwort reicht bei Nina erneut. Giggelnd hält sie sich an einem der schweren roten Samtvorhänge fest, die dem Club den Anschein eines echten Theaters verleihen.
»Mike Meyers, mein Namensvetter«, deutet Mike auf das Foto. »Ist auch schon hier aufgetreten !«
Unser Kamera-Comedian drückt jeder von uns ein Gläschen Sekt in die Hand und deutet auf die Colgate-Lady.
»Sharon zeigt euch eure Plätze .«
Drei Barhocker an einem wackeligen Bistrotisch direkt neben der kleinen Holzbühne werden für die nächsten 70 Minuten unsere Heimat. Nicht besonders bequem, aber das ist auch gut so, denn sonst wären wir womöglich eingeschlafen.
Mike müht sich redlich, und die Zuschauer sind überaus freundlich zu ihm. Für die meisten ist der Mut, hier überhaupt auf die Bühne zu gehen, höher einzuschätzen als die Qualität der Show. Trotzdem kann der wohlwollende Applaus nicht darüber hinwegtäuschen, dass Mikes Programm überwiegend aus geklauten Geschichtchen besteht. In Amerika reicht das für einen großen Durchbruch mit Sicherheit nicht aus.
»But he's so cute !« , strahlt Sharon uns an, als sie noch drei weitere Gläschen Sekt auf Kosten des Hauses serviert. Mike sei auf dem besten Weg, aber hier sei die Konkurrenz halt so groß, dass nur die wirklich Allerallerbesten den Sprung schaffen. Oder man habe Beziehungen, das sei in Österreich sicher nicht anders. Wir schauen die Bedienung fragend an. Sie nickt lächelnd. Ja, sie habe uns eben in den Kurznachrichten auf Channel 7 gesehen. Damit schiebt sie ihren strammen Hintern in einer viel zu engen Bundfaltenhose wieder zurück in die Dunkelheit des Zuschauerraums.
Wie alle anderen halten auch wir es brav bis zum Ende der Vorstellung aus.
»Irgendwie tut mir der kleine Witzeerzähler Leid«, sinniere ich.
»Man möchte ihn in den Arm nehmen und mal so richtig trösten«, ergänzt Nina.
Ich nicke verträumt.
»Dann tu's doch !« , mischt sich Ruth ein.
Das sei die beste Gelegenheit, um Steve zu vergessen. Und dieser Mike würde auf mich stehen, das sei ja wohl eindeutig. Schließlich habe er mich im Foyer dreimal am Arm berührt, Nina nur einmal und Ruth gar nicht. Das sei ein sicheres Zeichen. Ich schüttle den Kopf. Bei aller Freundschaft, aber ich lasse mich hier in nichts reinquatschen. Außerdem will ich Steve gar nicht vergessen. Ich will nur wissen, was passiert ist. Dann kann ich ihn ja immer noch vergessen.
»Na, wie fandet ihr's !« Mike schwingt sich fast euphorisch auf einen Hocker neben unserem Tisch.
»Alice hat gesagt, es sei das Beste, was sie seit langem gesehen hat !« , antworten die beiden Betschwestern unisono.
Mir bleibt nichts, als zögerlich zuzustimmen. Damit habe ich dann quasi den Rest des Abends schon verplant. Mike rückt an mich heran und erklärt mir haarklein jedes einzelne Timing innerhalb seines Programms. Warum er hinter welchem Witz welche Pause gemacht hat, zum Beispiel.
»Damit die Zuschauer auf die Idee kommen, dass man hier vielleicht lachen sollte ?« , zeige ich mich interessiert.
Mike ist begeistert von meinem Fachwissen. Meine weiße Fahne, die Leuchtraketen und die SOS-Funksprüche nützen allesamt nichts. Nina und Ruth schippern mit dem rettenden Taxi Richtung YMCA. Ich habe ein schlechtes Gewissen, während Mike mich in ein Apartmenthaus an der State Street bugsiert. Ich kann doch nicht einfach mit einem wildfremden Mann nach Hause gehen, während Steve ... Wenn ich das nur wüsste. Aber vielleicht geht er ja in diesem Moment mit einer wildfremden Frau in, deren Apartment. Ohne auch nur einen einzigen Gedanken an mich zu verschwenden. Der soll sich bloß nicht einbilden, dass ich als alte Jungfer sterbe, während er sich amüsiert. In der fünften Etage angekommen, gebe ich Mike einen Kuss auf die Wange. Er schließt die Tür auf. Leicht benebelt von den Ereignissen des Tages finde ich mich in seinem privaten
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