Alice@Hollywood
an der Kamera vor uns angeht.
»So did you see the robbers ?« , will eine überambitionierte Journalistin von uns wissen.
Nina begreift als Erste, dass wir jetzt im Fernsehen sind. Unsicher knufft sie mich in die Seite und stammelt etwas wie: »No, no .«
Die Frau mit dem Mikrophon widmet sich ihrer Frisur und erklärt Ninas Ausführungen für hochbrisant. Ohne meine Freundin anzuschauen, fragt sie weiter nach einer Täterbeschreibung. Zwei andere Fernsehteams sind auf uns aufmerksam geworden. Die fest montierten Kameras auf den Übertragungstrucks drehen sich. Anscheinend gibt es hier drei Augenzeuginnen.
»Zwei von ihnen waren angeblich sogar in der Bank, als der Überfall passierte. Es handelt sich um Touristinnen aus Österreich«, höre ich einen weiteren Reporter neben mir in das auf ihn gerichtete Objektiv kommentieren. Plötzlich bin ich an der Reihe. Mein »Ich bin mir echt nicht sicher« geht im Tumult unter. Dann ist die Kamera auch schon bei Ruth. Als waschechte Österreicherin kennt sie natürlich Schwarzeneggers Familie in Graz und weiß, dass frisches Obst wesentlich gesünder ist als alle Vitaminpillen zusammen. Ihr Englisch mit Wiener Akzent ist einfach unschlagbar. Vorsichtig schiebt Nina mich wieder ins Bild.
Ich sträube mich, doch schon habe auch ich erneut ein Mikrofon vor der Nase. Okay, Alice. Jetzt musst du was Schlaues sagen.
»Es waren zwei Gangster. Einer hatte Schnupfen und der andere ein Alkoholproblem. Und sie fuhren einen blauen Ford. Ein Coupe!«
Ganz toll, Alice. Zum Glück interessiert niemanden meine Theorie, denn dummerweise habe ich auf Deutsch losgeplappert und mich damit als für US-Standards medial untauglich klassifiziert.
Vorbei, der kleine Moment des Ruhmes. Die Horde Schaulustiger drängt Nina und mich wieder an unseren Ausgangspunkt zurück. Wenigstens halten wir uns diesmal vor der Häuserfassade auf den Beinen. Ruth hat noch weitere drei Sekunden auf Channel 7 Chicago, dann haben die Kameras den Hinweis bekommen, dass der Polizeichef eine Pressekonferenz gibt. Der Pulk Journalisten verlagert sich und spuckt endlich auch Ruth wieder aus.
»Ich wusste gar nicht, dass du Arnie kennst !« , feixt Nina los.
»Ist doch auch völlig egal. Es war in jedem Fall eine gute Story«, sagt ein schmächtiger Kameraassistent neben uns, noch bevor Ruth sich rechtfertigen kann. Er stellt sich als Mike vor, der hier nur einen Job macht, aber eigentlich Comedian ist. Ein wenig Deutsch könne er, da seine Mutter aus Heidelberg kommt. Ich bin gespannt, welches Klischee er als Nächstes bedient.
»Ich bin nachher im Improv-Comedy-Club. Wenn ihr wollt, kann ich euch da umsonst reinlassen !«
Aha. Das also. Ein Platzanweiser, der sich für lustig hält und
seine Beziehungen spielen lassen will. Dann versucht er noch einen Witz über Kühe und Bodybuilder, der uns auch nicht überzeugen kann. Mit einem »Danke, mal sehen« werden wir ihn los. Außerdem muss er wieder an die Arbeit. Es gibt noch eine Augenzeugin, deren drei Brüder im Irak stationiert sind. Einer ist Jetpilot und war bei der allerersten Angriffswelle auf Bagdad dabei. Das ist auch eine echt geile Story.
Unsere Action-Kapazität ist für heute erst mal ausgeschöpft. Müde und schweigend trotten wir zurück Richtung YMCA. Die Straßenschluchten ziehen sich. Erschöpft bleiben wir irgendwann an einem Imbisswagen stehen. Je ein Dreieck Pizza Supreme sollte als Abendbrot reichen. Der Käse zieht Bungee-Fäden. Ich wende mich ab, da mir ein Pilz am Mundwinkel hängt. Kurze Säuberungsaktion. Ein Blick in mein Taschentuch verrät mir die eindeutige Dosenherkunft des Gemüses. Zudem bemerke ich, dass ich vergessen hatte, Lippenstift aufzutragen. Wie blöd. Jetzt bin ich schon mal im Fernsehen, und dann schauen meine teuren Strahlezähne nur zwischen zwei dünnen blassen Lippchen hervor. Nachschminken. Wer weiß, vielleicht geraten wir ja heute noch in eine Geiselnahme. Dann will ich bei meinem zweiten Auftritt wenigstens glänzen. Ich trete dicht an einen schwach beleuchteten Schaukasten heran, um mein Spiegelbild in dem vergilbten Glas besser erkennen zu können.
Mike Radner lächelt mich an. Eindeutig! Der Typ auf dem Schaukastenplakat ist der Kamera-Assi von heute Nachmittag. Neonbuchstaben blinken über mir und etikettieren das Gebäude vor uns als Improv-Comedy-Club. Ich winke Nina und Ruth heran. Kein Zweifel. »Tonight Stand-up Comedian Mike Radner". Plötzlich öffnet sich die Lieferantentür neben den
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