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Alice@Hollywood

Alice@Hollywood

Titel: Alice@Hollywood Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Bunzel , Andreas Gaw
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Selbstverwirklichung, Karriere. Die Top-Drei auf der weiblichen Prioritätenliste. Nur dass jede von uns nur eines davon abbekommen hat. Aber je mehr wir uns voneinander entfernten, desto größer wurde bei uns der Wunsch, wenigstens noch einmal das »Trio fatale« zu sein, noch einmal eine Partyinsel zu stürmen oder gleich ein ganzes Land. Und möglichst exotisch sollte es sein.
    »New York?«
    Ich sah in Gesichter, als hätte ich vorgeschlagen, in Miniröcken nach Teheran zu fliegen. Zwei Tage, nachdem Jens-Uwe meinen Urlaubsantrag genehmigt hatte und ich sicher war, dass keine Finte dahintersteckte, hatte ich Nina und Ruth zum Essen eingeladen. Bei mir zu Hause. Essen gehen ist ja inzwischen unbezahlbar. Am eigenen Herd gekocht schmeckt besser und spart Geld. Ich besorgte extra nur Hochwertiges aus dem Biomarkt, plus zwei Flaschen Wein. Und das Ganze hat nur zwanzig Euro mehr gekostet als eine türkische Hochzeit.
    »New York ?« , wiederholte Nina, von irgendeiner unheilbaren Verständnislosigkeit heimgesucht.
    »Hatten wir nicht exotisch gesagt ?« , erinnerte Ruth mich, »exotisch im Sinne von heiß, Strand, große schwarze Männer oder kleine gelbe Männer?«
    »Exotisch im Sinne von fremde Kultur, unverständliche Sprache und scharfes Essen ?« , setzte Nina hinzu.
    »Und scharfes Nachtprogramm«, wusste Ruth noch zu ergänzen.
    Hatten wir gesagt. Und ich war die Verfechterin einer Extrem-Exotik gewesen. Vor nicht mal zwei Monaten hatte ich als Ziel sogar Rarotonga vorgeschlagen, ohne genau zu wissen, wie weit im Abseits das wirklich liegt. Die Ursache meines Sinneswandels zu offenbaren war unmöglich. Denn außer exotisch gab es für unseren Mädelsurlaub noch eine zweites Gesetz, unumstößlich, in Stein gemeißelt: keine Männer. Der Grund, den Sinn dieses Gesetzes für mich noch einmal zu überdenken, bestand aus Büttenpapier, voll mit sanften Worten, die mich in ihren Bann gezogen hatten. Kurz nachdem Steve nach New York zurückgekehrt war, tauschten wir Postkarten aus, mit dem üblichen Schmus, schade, dass es so schnell vorbeiging, wünschte, du wärst hier, und was man sich so schreibt, wenn man eine Romanze hinter sich hat, die einem etwas mehr bedeutete als ein Drahtbügel. Eine Romanze, die ihr rührseliges Ende gefunden hatte am Gate D 22 des Frankfurter Flughafens. Dieses Ende war programmiert und wir hatten es verdrängt, bis zum Tag seiner Heimreise, bis vor die Passkontrolle. Und dort versiegelten wir unsere Lippen mit wilden Küssen, um nicht noch im letzten Moment schwach zu werden, die magischen drei Worte auszusprechen, die, in denen in der Mitte der Begriff »Liebe« lauert. Worte, die in den zurückliegenden Wochen nie ins Spiel gekommen waren und die jetzt keinen Sinn mehr gemacht hätten. Jetzt, wo Steve meine Welt verließ und zurückkehrte in seine eigene, mit einem Ozean dazwischen. Als er von einem 35-Tonnen-Ungetüm in den grauen Frankfurter Himmel katapultiert wurde, war uns beiden klar, dass wir uns nie wieder sehen würden.
    Doch der Kontakt schlief nicht ein, zu meinem Erstaunen. Im Gegenteil. Mit der Zeit, und da unterschied sich Steve von anderen Männern, schrieb er sogar immer längere Briefe. Er hatte eine Art, Dinge aus seinem Alltag wieder zu geben, die  mir zeigten, dass er mich wirklich vermisste. Ich war in seinem Bücherregal, in seinem Cocktailglas, sogar in seinem Rasierpinsel. Ich war es, die ihn morgens streichelte, nicht die Rosshaarborsten. Immer häufiger tauchten in seinen Briefen auch unsere gemeinsamen Erlebnisse in Deutschland auf. Er idealisierte bis ins Unglaubwürdige, aber so fanatisch süß, dass ich schließlich selbst überzeugt war, dass wir genau das erlebt hatten, was in seiner Erinnerung stattfand. Und das war keine kleine Romanze mehr. Das war eine Fünf-Sterne-»Komm-rüber-und-heirate-mich«-Aufforderung. Begleitet, und da werde ich mich wohl echt mal therapieren müssen, von der obligaten Angst. Kaum, dass ich mich vor dem Flurspiegel wiederfand, einen von Steves Briefen an die Brust gedrückt, den Blick an die Decke wie ein Puttenengel, packte die Angst zu. Die Angst, wenn ich nicht schnellstmöglich Steve packe, sind seine Gefühle wieder futsch und er auch. Ich musste nach New York. Und hier war die Gelegenheit. Und da war das Problem. Ruth und Nina hatten meine anfängliche Einschätzung geteilt, dass ich Steve nie wieder sehen würde. Sie fanden es überaus vernünftig von mir, auf die Fortsetzung dieses Flirts zu verzichten. Zumal

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