Alice@Hollywood
Kreditkarte passte. Mit beidem kehrte ich ins Wohnzimmer zurück, wo mich Ruth erwartete, die Hände hinter dem Rücken verschränkt mit dem Blick eines Verhörspezialisten.
»Schätzchen«, begann sie. Eine süße Drohung. »Was bedeutet das ?«
Sie präsentierte einen Briefumschlag. US-Mail. Der letzte von Steve.
»Dass du in meinen Sachen gewühlt hast«, antwortete ich und konnte nicht verhindern, dass das Ertapptsein sich unter meine Gesichtszüge mischte. Ohnehin ein schwaches Argument. Der Brief hatte neben den CDs im Schrank gelegen. Dort, wo sie ihn auf der Suche nach etwas Geklimper entdeckt hatte.
»Ist es möglich«, fuhr sie ungerührt fort, »dass dich das hier in deiner Entscheidung, wohin wir fahren, irgendwie beeinflusst hat ?«
Manchmal zweifele ich an Ruths Verstand. Sie konnte doch nicht ernsthaft glauben, ein einzelner Brief reiche aus, mich derart verrückt zu machen. Wenn er nicht gerade von George Clooney kam.
»Einer nicht !« , konstatierte sie, ihre Verhörspezialistinnenrolle etwas übertreibend. »Aber zwölf!«
Und damit zeigte sie mir all die übrigen Briefe von Steve, die wohl auch neben den CDs gelegen haben müssen. Ich fühlte mich nicht ganz so schuldig, wie Ruth mir einreden wollte. Schließlich hatte ich mich ja nicht mit Steve verabredet. Ich wollte ihn »zufällig« in New York treffen und dann improvisieren. In etwa die Methode, nach der ich mein ganzes Leben gestalte.
»Keine Männer«, erinnerte mich Ruth.
Die Abmachung gilt aber nur, wenn man tatsächlich keinen Mann hat. Sonst findet die Schwarz-Weiß-Logik Anwendung. Jedenfalls bei mir.
»Harmloses Geplänkel«, sagte ich und zeigte auf die Briefe. »Eine Art kultureller Austausch.«
»Zu dem detaillierte Beschreibungen erotischer Natur gehören ?«
»Du hast sie gelesen ?« , fragte ich entsetzt.
»Nein«, erwiderte sie lächelnd. »Das war geraten .«
Überführt, durch einen billigen Trick. »Gut gemacht, Miss Marple .«
»Wieso hast du nichts davon gesagt ?« , fragte Ruth und ihr Gesichtsausdruck wechselte von Großinquisitor zu liebevollbesorgter Mutter.
Ich klärte sie auf, wie sehr ich selbst von dem Gefühl überrascht worden war, das die Briefe ausgelöst hatten. Ein Gefühl, das sich nahtlos an unsere gemeinsame Zeit und die Erinnerung daran anfügte. Ruths Verständnis für meine Situation wurde nur übertroffen von der Sorge, ich könnte mich da in etwas verrannt haben. Alle anderen will sie immer vor Enttäuschungen schützen. Bei sich selbst gibt sie noch dem irrationalsten Gefühl den Vorzug vor Tatsachen. Das Nicht-loslassen-Können trifft auf sie selbst zu. Sie kann es bei anderen so leicht konstatieren, weil sie es in ihrem eigenen Innern so ausgiebig analysiert hat.
»Na ja«, sagte sie, »in Amerika gibt's ja wohl auch exotische Strände. Wenn du weißt, was ich meine .«
»Jetzt bist du aber dabei, dich zu verrennen«, sagte ich. Mir war bewusst, dass Ruth seit langem nicht mehr hinter Urlaubsflirts her war. Sie war nur der Meinung, eine gelöste Atmosphäre trage wesentlich zum Verständnis zwischen den Geschlechtern bei. Und Urlaub war so eine gelöste Atmosphäre. Ihren Alltag empfand sie als zu verzwickt, wohl auch die Männer, die ihr in diesem Alltag begegneten. Ich erinnerte sie an ihre beiden letzten gelösten Atmosphären. Die eine auf Kreta, wo sie sich in einen trinkfesten Griechen verguckt hatte. Der konnte nach reichlich Ouzo noch einen rabiat getanzten Sirtaki zum Besten geben. Ruth versuchte unterdessen, sich bis zum frühen Morgen mit Mineralwasser bei Laune zu halten, um noch was von dem Sex zu haben. Hätte sie auch, wenn ihr Grieche nicht vorher immer eingeschlafen wäre. Und das eine Mal, wo er auf ein Zechgelage verzichtete, kam Ruth eine läufige Italienerin zuvor. Der Zweite war ein Isländer, den sie auf Malta getroffen hatte. Während die Faszination des Griechen von seiner kantigen Virilität ausging, beeindruckte Ruth an dem blutleeren Nordländer die emotionale Tiefe, die in ihr Widerhall fand. Ruths spontan geplanter Umzug nach Reykjavik wurde ebenso spontan ausgebremst: Das matte Männchen leugnete am Ende des zweiwöchigen Urlaubs, je ein Wort mit Ruth gesprochen zu haben. Ruth begründete beide Misserfolge mit »kultureller Divergenz«. Allerdings schien sie jetzt keinen Zweifel zu hegen, dass ihr Exilkubaner in Miami kulturell nah genug stünden.
Wir gingen zum Reisebüro und trafen vor der Tür auf eine heillos zerzauste Nina. Sie fegte sofort
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