Alice Baker: Mein Leben in der Aryan Brotherhood
herrschen hier
In Sicherheit, und wenn’s nach mir geht, so
Sei’s in der Hölle, Herrschen lohnt sich immer:
Zu herrschen in der Hölle hier ist mir
Lieber, als in dem Himmel nur zu dienen.
John Milton, „Das verlorene Paradies“
SOLEDAD STATE PRISON
Da saß ich also festgekettet im Gefängnisbus auf dem Weg in das Soledad State Prison. Ich war nie davon ausgegangen, dass man mich mal schnappen würde, und an den Knast hatte ich erst recht nicht gedacht. Während ich aus den vergitterten Fenstern starrte, beobachtete ein Sheriff mit einer Schrotflinte jede Bewegung, die ich und meine Mitreisenden machten. Meine Mitreisenden, das waren vor allem Schwarze und Latinos. Außer mir war nur ein einziger Weißer in diesem Bus. Die Nigger stellten ihn sofort bloß, als er den Mittelgang entlang zu seinem Platz lief. „Hey Weißbrot, was glotzt du mich an?“ Sein Blick fiel sofort nach unten auf den Fußboden und er schwieg. Was für ein Trottel. Ich für meinen Teil starrte beharrlich weiter aus dem Fenster. Ansonsten versuchte ich, möglichst hart zu gucken und mich auf diese Blickfickereien nicht einzulassen.
Als wir die sechs Stunden Fahrt hinter uns gebracht hatten und wir in die Isolationsstation gebracht worden waren, lernte ich einen alten weißen Gefangenen kennen. Sein Name war Dex. Zuerst war ich skeptisch, denn man weiß nie, was diese andere Wichser hier von einem wollen. Aber Dex war cool und wollte mir tatsächlich nur helfen. Wahrscheinlich hatte er mein Potenzial erkannt. Jedenfalls brachte er mir viele wichtige Dinge bei, die hier im Knast von grundlegender Wichtigkeit sind. Dex wollte erst meinen Papierkram sehen, um sicher zu gehen, dassich keine Ratte war, kein Bullenspitzel. Als er die Papiere gecheckt hatte, brachte er mir die Gefängnis-Ettikette bei.
„Beteilige dich nicht an Glücksspiel, lass die Finger von Drogen und ficke verdammt noch mal nicht Punks rum“ war seine erste Lektion. „Wenn du mit jemandem redest, sei höflich. Du weißt nie, wann hier jemand durchdreht, also sei höflich. Sei einfach cool, und wenn du ein Problem hast, dann komm zu mir.“
Die zweite Lektion war um so wichtiger. „Außerdem musst du lernen, wie du eine Linie zwischen dir und den anderen Typen hier drin ziehst. Wenn dich jemand beschimpft, dann frage dich zuerst ‘Liegt es an mir? Habe ich irgendwas getan, womit ich seinen Zorn auf mich gezogen habe?’ Falls nicht, dann will er dich ficken und du musst sofort darauf reagieren. Geh direkt auf ihn zu und frag ihn, was sein verdammtes Problem ist. Biete ihm deinen Respekt an, aber nur, wenn er auch dich respektiert. Sollte er das nicht tun, dann ändere etwas daran.“
„Mehr brauchst du nicht tun. Du hast ihm einen Ausweg angeboten und du hast ihm ganz klar seine Grenzen aufgezeigt. Leute, die das nicht machen, haben hier drinnen keine Überlebenschancen.“
Dex hatte niemals zuvor ein Buch gelesen, wie er mir später erzählte, aber er verstand die Prinzipien der Macht. „Jemand wird dich in Ruhe lassen, wenn es ihn mehr kostet, dich zu ficken, als wenn er dich in Frieden ließe.“
Weiter versicherte mir Dex „Ich habe hier drinnen niemals jemanden erstochen. Aber ich habe es jedem, der es wissen wollte, absolut klar gemacht, dass ich nicht zögern würde, zu töten, wenn man versucht, mich zu ficken. Ich werde direkt in die Küche gehen, mir ein großes Fleischermesser schnappen und niemand – niemand, der bei klarem Verstand ist – wird mich daran hindern, dieses Messer zu benutzen. Ich werde diesem Arschloch seinenKopf abschneiden, ganz gleich, was die Konsequenzen sind. Ob ich lebenslänglich hier bleiben muss oder in der Gaskammer lande, das ist mir scheißegal. Aber niemand überschreitet meine Grenzen. Niemand.“
Auch ich stellte es nicht in Frage. Dex hatte sich so in Rage geredet, dass ich fürchtete, er würde jeden Moment auf mich los gehen.
Im Knast ist dein Ansehen alles, was du hast. Wenn nicht respektiert wirst, dann bist du nichts, nur ein Haufen Scheiße. Das Prinzip von Respekt und Verachtung ist der häufigste Grund, wenn es Gewalt im Knast gibt. Wenn man beispielsweise jemanden anrempelt und sich nicht dafür entschuldigt, dann ist das ein Zeichen größter Respektlosigkeit. Um sich diesen Respekt wiederzuholen, würde jeder ehrbare Gefangene soweit gehen, 20 Zentimeter Stahl in deinem Körper zu versenken. Hier kriegt man Respekt indem man nimmt und gibt, wenn es sein muss auch mit Gewalt. Wer einmal sein Gesicht
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