Alice Browns Gespuer fuer die Liebe
dauert, könnte es so aussehen, als wollte er sich alle Möglichkeiten offen halten, für den Fall, dass er eine Bessere findet … neunundzwanzigeinhalb . Und jedes Kind weiß, dass man mindestens anderthalb Jahre braucht, um eine ordentliche Hochzeit auf die Beine zu stellen …«
»Gütiger Himmel, träume ich das alles? Schlafe ich noch?«
»… da siehst du also, wie weit ich schon hinter meinem Zeitplan liege!« Kates Stimme wurde lauter und ein bisschen schrill. »Eigentlich hätte ich schon mit achtundzwanzig Mr Right kennenlernen müssen; und jetzt sollte ich bald das erste Baby bekommen! Ich bin schon fünf Jahre zu spät dran, es darf also nicht noch ein Jahr dauern, den Richtigen zu finden. Das darf es einfach nicht!«
Dann wurde es plötzlich still in der Leitung.
Verdutzt und erschrocken atmete Lou aus.
»Kate, wieso habe ich bis heute nicht gewusst, dass du nicht alle Tassen im Schrank hast?«
»Man ist doch nicht gleich irre, nur weil man einen Plan für sein Leben hat«, entgegnete Kate dickköpfig.
Und für einen kurzen, seltenen Augenblick fehlten Lou vollkommen die Worte.
»Ach Lou, komm, bitte!«, flehte Kate sie an. »Du musst mich moralisch schon ein bisschen unterstützen. Ich wage einen sehr mutigen Schritt.«
Eine Pause entstand.
»Ich brauche dich wohl gar nicht erst zu fragen, ob du mitmachen würdest, oder?«
»Bestimmt nicht!«
»Nicht mal aus Spaß?«
»Wenn ich lachen will, schaue ich mich nackt im Spiegel an. Und wenn ich dringend einen Mann brauche, gehe ich in eine billige Spelunke, so wie jede andere normale Frau auch. So tief wie du bin ich jedenfalls noch nicht gesunken.«
»Tja, ich schon!«, zwitscherte Kate. »Und ich rufe jetzt gleich bei Table For Two an, damit sie mir einen tollen Mann und ein Happy End verschaffen.« Und dann legte sie auf, ehe Lou noch eine sarkastische Bemerkung machen konnte.
Lou legte das Telefon auf den Wannenrand und betrachtete mit kritischem Blick ihr Spiegelbild.
»Un-fucking-fassbar«, sagte sie zu ihrem leeren Badezimmer.
Alice
A lice fiel es schwer, sich auf den Papierkram zu konzentrieren. Sosehr sie sich auch bemühte, immer wieder schweiften ihre Gedanken ab.
Fünfzig Prozent ihrer Arbeit liebte sie heiß und innig. Wenn sie neue Klienten befragte und mit ihnen gemeinsam deren Wünsche und Träume auslotete, war sie ganz in ihrem Element. Jeder neue Klient war ein neues Abenteuer, eine Reise, mit ihr als Schiffskapitän. Ihre Aufgabe war es, sie alle sicher durch die raue See der Partnersuche zu steuern, direkt hinein ins tropische Paradies, wo Mr oder Mrs Right sie bereits im Hula-Outfit auf einem sonnengewärmten Felsen erwartete. Wenn sie einen neuen Klienten aufgenommen hatte, flitzte Alice am nächsten Morgen immer etwas früher ins Büro und durchforstete ihre Kartei auf der Suche nach seinem oder ihrem Traumpartner. Stundenlang konnte sie alles um sich herum vergessen, während sie mögliche Kombinationen abwog und sich vorstellte, wie diese Treffen ablaufen würden, wobei sie nachdenklich auf ihrem Kugelschreiber herumkaute und alle nur erdenklichen Paarungen durchging.
Außerdem mochte sie es, ihre Klienten nach einer Verabredung anzurufen oder zu mehr Geduld zu ermahnen. Es war an ihr, dafür zu sorgen, dass sie nicht den Mut verloren. Gut gelaunte Menschen waren attraktive Menschen, und so sah sie es als ihre Aufgabe an, jeden Einzelnen bei Laune zu halten. Oft rief sie einen von ihnen an oder traf sich mit ihm spontan zum Kaffeetrinken, um zu verhindern, dass er die Zukunft nach einer schlechten Erfahrung allzu schwarzsah. War jemand geknickt wegen eines Fehlstarts, war auch Alice am Boden zerstört. Schließlich hatte sie dieses Paar in ihrer Fantasie zusammengebracht. Zwei Menschen erfolgreich zusammenzubringen, das war der Stoff, aus dem ihre nächtlichen Träume waren. Und ein Hauch von Romantik verzauberte ihr die Tage.
Den Papierkram allerdings hasste Alice aus tiefstem Herzen. Diese staubtrockene Aufgabe hatte ihr noch nie gelegen. Alle nannten sie eine Träumerin, und Alice widersprach ihnen nicht. Das ganze Leben war aufregender mit Tagträumen in Technicolor. Sie wirkten so echt wie das wahre Leben, bloß ein bisschen mit Photoshop aufgehübscht.
Aber nun war Dienstag, bei Table For Two der Papierkramtag. Alle saßen mit gesenktem Kopf am Schreibtisch und stierten angestrengt auf den Monitor ihres Rechners. Nie war es so still im Büro wie zu dieser Zeit. Selbst Audrey war gegen den
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