Alice Browns Gespuer fuer die Liebe
zumindest zehn Minuten Ruhe vor dem leidigen Papierkram.
Rasch zog sie den Mantel über. Auf der Fußmatte lag die Post, die noch niemand aufgehoben hatte, und Alice sammelte die Umschläge ein – und hielt die Luft an. Darunter waren zwei handbeschriebene Kuverts. Ein freudiger Schauer lief ihr über den Rücken. Vorsichtig drückte sie die Tür zu Audreys Büro auf.
»Kaffee?« Sie atmete heftig, während sie linkisch den Brief für Audrey auf den Schreibtisch legte. »Ich gehe schnell Cappuccino holen …«
Worauf Audrey nur unwillig brummte, ohne aufzuschauen. Erwartungsvoll blieb Alice stehen. Sie hatte Audrey den handbeschriebenen Umschlag verlockend nahe vor die Nase gelegt, sodass diese ihn eigentlich gar nicht übersehen konnte. Der Umschlag war dick und cremefarben und mit verschnörkelter goldener Schönschrift versehen. Unschlüssig stand sie da und hoffte, Audrey werde ihn bemerken. Doch deren Blick war fest auf den Bildschirm gerichtet.
»Scheint, als hätten Sie eine Einladung bekommen«, half Alice ihr auf die Sprünge. »Ein handbeschriebener Umschlag … mit goldenem Stift beschrieben.«
Jeder bei Table For Two hatte ein äußerst empfindliches »Hochzeitsradar«, und ein goldener Schriftzug konnte eigentlich nur eins bedeuten … Hochzeitsfeierlichkeiten! Hochzeiten waren der Heilige Gral aller Vermittlungsagenturen. Ein Paar zusammenzubringen, das dann tatsächlich heiratete, war die goldene Gans der Partnervermittlung. Genau das wünschten sich Mitarbeiter – und Klienten – am allermeisten. Das war der Stoff, für den die Unternehmensbroschüren zum Aufmotzen in die Werbeagentur geschickt wurden, und in so einem Fall pfiff selbst Audrey auf die Kosten und setzte sogar eine Anzeige in die Lokalzeitung – nicht nur, um neue Kunden anzulocken, sondern auch, um Konkurrenzagenturen eine lange Nase zu drehen. In einer Zeit von One-Night-Stands, virtuellen Beziehungen und SMS-Sex war eine Hochzeit ein modernes Märchen.
Ruckartig schaute Audrey auf und stierte Alice durchdringend an. Sie konnte beinahe zuschauen, wie es bei den Worten »goldener Stift« langsam klick machte.
»Tja, ja, dann lassen Sie sich nicht aufhalten.« Und damit scheuchte Audrey sie fort.
Schon im Mantel wieselte Alice zurück zu ihrem Schreibtisch und riss den an sie adressierten handbeschriebenen Umschlag auf, gleichzeitig bemüht, Audrey unauffällig durch die gläserne Wand ihres Büros zu beobachten. Das Herz schlug ihr bis zum Hals, als sie die Karte aus dem Umschlag zerrte. Hastig huschte ihr Blick über die Worte, bemüht, alles zu erfassen, noch ehe Audrey es gelesen hatte … »Mr & Mrs Derek Whitworth« … »möchten Sie einladen« … »Hochzeit« … Ja, tatsächlich, Hochzeit!
Alice’ Blick flog förmlich zu Audreys Büro. Sie sah, wie Audreys Augen über die Einladung wanderten und sie sich aufgeregt an die Brust griff, als sie den Text las.
»… von Jason Christopher Lee mit Jennifer Lesley Whitworth.«
Jason und Jennifer! Das waren ihre Klienten! Alice schrie auf vor Entzücken. Wie wunderbar! Die beiden waren so ein schönes Paar. Sie hatte die zwei zusammengebracht, und nun heirateten sie! Sie hatte es geschafft! Sie hatte eine Hochzeit arrangiert!
Unvermittelt kam Audrey aus ihrem Büro geschossen und wedelte über dem Kopf mit der Einladung herum.
»Ladys«, verkündete sie lautstark mit einem leichten Bibbern in der Stimme und gerötetem Nacken. »Es gibt eine Table For Two-Hochzeit!«
Auf der Stelle quietschten alle los. Cassandra und Bianca fielen sich entzückt in die Arme. Hilary – eingeklemmt in ihren Schreibtischstuhl – pfiff anerkennend durch die Zähne. Und Audrey schwenkte immer noch die Einladung und rief siegesgewiss: »Eine Hochzeit, eine Hochzeit!« Nur Alice blieb stumm. Sie starrte auf ihre eigene Einladung und las sie abermals, um sich zu vergewissern, dass sie sich nicht getäuscht hatte.
Da stand es in Gold und Creme. Sie hatte es geschafft. Wieder einmal hatte es eins ihrer Paare bis vor den Traualtar geschafft! Jennifer war einige Monate lang ihre Klientin gewesen, und als Jason sich anmeldete, hatte Alice sofort gewusst, dass er genau der Richtige für sie war. Und nun heirateten die beiden! Ihr stiegen Freudentränen in die Augen. Ihr Blick wanderte zu den feierlaunigen Kolleginnen, und sie strahlte über das ganze Gesicht.
»Ich wusste natürlich von Anfang an, dass Jason und Jennifer füreinander bestimmt sind«, verkündete Audrey, ließ sich
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