Alice Browns Gespuer fuer die Liebe
Tasche und wählte Ginnys Nummer.
»Hallo?«
Für einen Augenblick hörte Alice nur das ohrenbetäubende Gebrüll von Scarlet, Ginnys kleiner Tochter, die herzzerreißend heulte. »Passt es gerade nicht?«
»Es passt eigentlich nie.«
Scarlet kreischte im Hintergrund so durchdringend schrill, dass ihre Stimme Glas hätte zerspringen lassen können.
»Weißt du was? Audrey hat mich eingeladen, mit ihr zum alljährlichen Ball des Berufsverbands der Partnervermittler zu gehen«, quiekte Alice aufgeregt in den Tumult hinein. »Ich gehe als Anwärterin auf den Titel ›aufstrebende Partnervermittlerin des Jahres‹ unserer Agentur!«
»Wurde ja auch langsam mal Zeit!«, jubelte Ginny begeistert. »Aschenputtel geht zu ihrem ersten Ball – und noch dazu am Arm ihrer hässlichen Schwester!«
»Ich kann es kaum glauben! Das bedeutet, der Verband ist der Meinung, ich hätte Potenzial!«
»Alice!«, rüffelte Ginny. »Du hast so viel Potenzial, dass es dir eigentlich zu den Ohren wieder rauskommen müsste! Ich kann einfach nicht fassen, dass Audrey dich nicht schon längst mitgenommen hat, die fiese alte Hexe. Aber vielleicht ist das die Gelegenheit, ein bisschen zu netzwerken und neue Berufskollegen auf Augenhöhe kennenzulernen.«
»Mhm, kann sein«, entgegnete Alice wenig überzeugt. Ihr wurde plötzlich mulmig. Bisher hatte sie gar nicht daran gedacht, dass die Einladung auch bedeutete, gezwungenermaßen einen ganzen Abend mit ihrer Chefin zu verbringen. Und eins stand vollkommen außer Frage: Audrey würde sie nie im Leben behandeln, als seien sie auf Augenhöhe. Aber wenigstens war Audreys Mann auch dabei. So, wie sie immer von ihm schwärmte, klang es, als seien die beiden die verliebtesten Turteltäubchen, die je gemeinsam auf einem grünen Zweig gesessen hatten, also würden sie sicher den ganzen Abend aneinanderhängen wie die Kletten. Was Alice die Gelegenheit geben würde, mit den anderen Partnervermittlern zu plaudern. Sie konnte es kaum erwarten!
»Und was ziehst du an?«, unterbrach Ginny ihre Überlegungen. »Ist Abendkleidung erwünscht?«
Alice schmeckte Panik in ihrer Kehle aufsteigen.
»Danach habe ich gar nicht gefragt. Meinst du, das ist wirklich nötig? Ich dachte, ich ziehe einfach einen Rock und ein Top an.«
»Aber natürlich ist das nötig!«, entgegnete Ginny lachend. »Das ist die große Gelegenheit für dich, endlich ernst genommen zu werden. Du kannst auf keinen Fall in Rock und Top antanzen, wenn alle anderen Abendkleidung tragen. Du musst dich schon dem Anlass entsprechend kleiden. Und ja …« – Ginny musste lachen, als Alice zum Protest ansetzte – »… das heißt auch, dass du dich schminken musst! Und hohe Schuhe tragen. Und zum Friseur gehen!«
Alice wurde schlecht.
»Aber was spricht denn dagegen, dass ich so hingehe, wie ich bin? Ich würde mir vollkommen albern vorkommen in einem Abendkleid mit hohen Schuhen.«
»Das Leben ist hart.«
»Ich hab nicht mal hohe Schuhe«, protestierte sie matt. »Und auch kein langes Kleid.«
»Alice Brown! Wie kann man denn einunddreißig Jahre alt werden, ohne auch nur ein einziges Paar hoher Schuhe zu besitzen?! Schämen solltest du dich!«
Und Alice schämte sich tatsächlich ein bisschen. Aber mit hohen Absätzen konnte man weder radfahren noch dem Bus hinterherlaufen und auch nicht im Park die Abkürzung über den Rasen nehmen. Hochhackige Schuhe waren etwas für perfekt gestylte Frauen, die zu ihrer Hautfarbe passende Nylonstrümpfe trugen und sich die Fingernägel nicht mit der Küchenschere schnitten. Frauen wie Bianca. Lieber Gott, warum hatte Audrey denn nicht Bianca gebeten, sie zum Ball zu begleiten? Vielleicht wäre es wirklich besser, Alice ginge gar nicht erst hin.
»Am Samstag …«, erklärte Ginny entschieden, »… sagst du alles ab – egal, was du vorhast. Dan kann babysitten. Und dann gehen wir beide gemeinsam shoppen und besorgen dir ein Outfit für den Ball.«
»Okay«, willigte Alice kleinlaut ein.
»Das heißt Kleid, Schuhe, Accessoires und Handtasche.«
»So viel?«
»Das sind nur die Basics, Himmel noch eins!«
Plötzlich hatte Alice ein erschreckendes Bild vor Augen. Schließlich gab es gute Gründe, warum sie sich nicht gerne in Schale warf; in schicken Klamotten sah sie irgendwie immer aus wie eine Transe.
»Wir besorgen dir ein Killer-Outfit. Die werden tot umfallen, wenn sie dich sehen«, versprach Ginny überschwänglich. »Du wirst die Schönste des ganzen Balls sein.«
»Ach, na
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