Alice Browns Gespuer fuer die Liebe
Tisch zurückgekommen war. Beschämt dachte Alice daran, wie sie einfach weggelaufen und nach Hause geflohen war. Warum nur hatte sie nicht mehr Rückgrat bewiesen? Sie hätte sich wenigstens verabschieden sollen!
Allerdings war Audrey nicht damit herausgerückt, was genau sie verärgert hatte. Und sie war ziemlich betrunken gewesen. Vielleicht erinnerte sie sich ja gar nicht mehr in allen Einzelheiten an den Ablauf des Abends, überlegte Alice. Doch ihre Hoffnung löste sich sofort wieder in Luft auf. Wahrscheinlich erinnerte sie sich nur zu gut daran, denn sie hatte John den ganzen Abend nicht aus den Augen gelassen und natürlich gesehen, wie er ihr nachgegangen war und ihr sein Taschentuch gegeben hatte. Vielleicht ärgerte sie sich gerade darüber, dass ihr Mann zu dem schwarzen Schaf von Table For Two so nett gewesen war.
Verstohlen warf Alice einen Blick auf Audreys Blumenstrauß, den Hilary gerade in eine Vase zu stopfen versuchte. Und die sind nur dafür, dass ich so bin, wie ich bin. Eins musste Alice ihrer Chefin lassen: Nachdem sie den Ball überstürzt verlassen hatte, musste Audrey etwas wirklich Beeindruckendes getan haben, denn John hatte nicht wie ein Mann gewirkt, der ohne Grund mal eben fünfzig Pfund für einen Blumenstrauß verpulverte. Ganz im Gegenteil, er hatte eher einen wütenden Eindruck gemacht.
Alice versuchte, sich möglichst unsichtbar zu machen, und schlich sich unter dem Vorwand zu Hilary hinüber, ihr mit den Blumen helfen zu wollen.
»Darf ich dich mal was fragen?«, flüsterte sie leise und schaute nervös in Audreys Richtung, doch ihre Chefin hatte sich in ihrem gläsernen Büro eingeschlossen und stierte mit steilen Stirnfalten auf ihren Rechner.
»Sehe ich etwa aus wie eine Floristin, verflucht?«, schimpfte Hilary und kämpfte aufgebracht mit einer Hyazinthe, die nicht in der Vase bleiben wollte. »Kevin schickt mir nie Blumen. Meinst du, sie macht das nur, um mich zu quälen?«
»Du arbeitest doch schon ziemlich lange hier …«, setzte Alice behutsam an.
»Viel zu lange, wenn du mich fragst!«
»Hast du je die ersten fünf Klienten kennengelernt? Du weißt schon, die, die alle geheiratet haben.«
»Ich war noch nicht hier, als Audrey die zusammengebracht hat«, entgegnete Hilary und quetschte eine Handvoll Farn in die Vase. »Mich hat sie erst ein paar Monate später eingestellt. Aber später habe ich sie dann kennengelernt. Sie hat die Ärmsten ja dauernd für Fotos und Berichte in der Lokalpresse zusammengetrommelt.«
Heimlich schaute Alice zur Tür von Audreys Büro, um sich zu vergewissern, dass sie auch wirklich ganz geschlossen war. »Haben sie da einen glücklichen Eindruck gemacht?«
»Na klar – immerhin haben sie geheiratet!«
»Aber … meinst du, die Beziehungen haben gehalten? Denkst du, sie sind heute noch verheiratet?«
»Das bezweifle ich. Eine der Klientinnen ist ein paar Jahre später wiedergekommen. Sie wollte nach der Scheidung ein bisschen Unterstützung bei der Partnersuche.«
»Scheidung?« Alice spürte, wie sich ihr die Nackenhaare sträubten.
»Audrey verliert natürlich nie ein Wort darüber. Übrigens wollte sie diese Dame auch partout nicht wieder in die Kundenkartei aufnehmen. Ich glaube, sie hatte panische Angst davor, jemand könnte sich an den ganzen Medienrummel erinnern.«
»Also ist bloß eins der Paare geschieden …?«, flüsterte Alice hoffnungsvoll.
»Mindestens! Es gab allerdings Gerüchte, noch ein weiteres Paar habe sich scheiden lassen.« Hilary unterbrach das Blumenarrangieren und dachte angestrengt nach. »Sie war Afrikanerin; aus Nigeria, glaube ich. Ihr Visum war kurz davor abzulaufen.«
Entsetzt schnappte Alice nach Luft. »Willst du damit sagen, Audrey hat eine Scheinehe arrangiert?« Sie traute ihren Ohren kaum. Das war ja noch schlimmer als alles, was Sheryl behauptet hatte. Hätte sie doch nur nie angefangen nachzuforschen.
Hilary zuckte die Achseln. »Das war bloß ein Gerücht; was weiß ich, ob es stimmt? Und ich behaupte auch nicht, dass sie vorher davon wusste. Wenn ich mir Audrey und ihre nicht vorhandene Menschenkenntnis so ansehe, hatte sie sicher nicht den Hauch einer Ahnung. Wobei es die Chancen auf den Vermittlungsjackpot natürlich außerordentlich erhöht, wenn eine der Parteien unbedingt innerhalb von zwei Wochen einen Ring am Finger haben muss.« Mit kritisch gerunzelter Stirn musterte Hilary die überladene Vase.
»Hast du mal von dem Gerücht gehört, einige der Paare hätten sich
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