Alice Browns Gespuer fuer die Liebe
Woche.«
Geübt zog sie den Korken aus der Flasche, goss Wein in zwei riesengroße Kelche und kam damit zum Sofa. Geraldines Büro war groß, ein wenig heruntergekommen und völlig chaotisch, aber soweit John wusste, hatte sie noch nie irgendwas verlegt oder verloren. Es verwunderte ihn immer wieder aufs Neue, welch seltsame und wunderbare Dinge sie aus ihren Schränken zauberte. Einmal hatte sie spontan einen Nachmittagstee mit Scones, Sahne, Konfitüre und allem, was dazugehörte, aus den Tiefen ihrer Aktenschränke gezaubert.
»Besprechungen nach halb sechs Uhr abends sollten grundsätzlich nur bei einem Glas Wein abgehalten werden«, erklärte sie lächelnd und ließ sich auf die Couch fallen. »Das ist Vorschrift. Oder sollte es zumindest sein.«
John lachte. Geraldine hatte Recht: Es war wirklich eine lange Woche gewesen.
»Also.« Fröhlich klopfte sie auf den Sofaplatz neben sich. »Bestimmt hast du Besseres zu tun, als dich am Freitagabend nur zu einem kleinen Plausch auf den weiten Weg in mein Büro zu machen. Versteh mich nicht falsch, mich freut das sehr: Du bist für mich der netteste Anblick der ganzen bisherigen Woche. Aber da ich aus zuverlässigen Quellen weiß, dass du ein Telefon besitzt, muss man nicht Miss Marple sein, um sich denken zu können, dass du was auf dem Herzen hast.« Neugierig schaute sie ihn an.
John lachte kurz auf. »Schuldig im Sinne der Anklage. Hör zu, Geraldine, leider gibt es keine schonende Art, es dir beizubringen …«
»… aber …?«, versuchte Geraldine ihm auf die Sprünge zu helfen.
»… aber ich muss mit dir über eine bestimmte Klientin sprechen«, fuhr John zögerlich fort, »und darüber, dass ich von ihr in Zukunft keine Buchungen mehr annehmen möchte.«
»Aaaaaah, ja. Und darf ich annehmen, dass es sich bei der fraglichen Klientin um eine gewisse Geschäftsfrau handelt?«
John lächelte schwach.
»Eine gewisse Geschäftsfrau mit roten Haaren und einer eigenen Partnervermittlungsagentur?«
Der unangenehmen Situation zum Trotz musste John glucksen.
»Die ganz gewaltig in dich verschossen ist und einfach kein ›Nein‹ akzeptiert?«
»So würde ich das jetzt nicht sagen!«
Geraldine seufzte. »Also, ich muss zugeben, das Gespräch mit der Dame wird sicher alles andere als angenehm werden, aber ich kann es dir nicht verdenken. Offen gestanden habe ich dich immer für einen Heiligen gehalten, weil du es so lange mit ihr ausgehalten hast. Die meisten anderen Männer hätten bei ihr schon längst schreiend das Weite gesucht!«
»Hör zu, es tut mir aufrichtig leid, sollte dich das in eine unangenehme Situation bringen. Audrey ist seit Jahren unsere Klientin, und letztendlich musst du ihr die schlechte Nachricht überbringen und es ausbaden. Aber ich kann mich nicht mehr mit ihr treffen. Es geht einfach nicht mehr.«
Solidarisch schenkte Geraldine ihm noch etwas Wein nach.
»Aber das ist doch okay. Ist gestern Abend beim Ball irgendwas vorgefallen?«, fragte sie ganz beiläufig.
»Nein. Ja. Nein, nicht so richtig. Ich habe einfach die Nase voll von ihr. Das ist alles.« Plötzlich sah er Alice wieder vor sich, wie sie am Taxistand versuchte, ihre Tränen zu verbergen. Und dann Audrey, die abschätzig den Mund verzog, als Sheryl den Preis überreicht bekam.
»Gut«, murmelte Geraldine nachdenklich und nippte an ihrem Wein. »Du brauchst mir nicht zu erklären, warum du Audrey Cracknell nicht mehr begleiten möchtest. Sie ist eine komische alte Eule, und sie trägt ihr Herz auf der Zunge. Es kann nicht einfach gewesen sein, ihre Annäherungsversuche zehn Jahre lang höflich und taktvoll abzuweisen.«
John lächelte schief.
»Audrey als Klientin zu verlieren ist nicht weiter schlimm«, erklärte Geraldine freundlich. »Viel schlimmer fände ich es, dich zu verlieren. Wenn es nur um Audrey Cracknell geht, gut. Aber wenn mehr daran hängt als nur das, dann macht mir das Sorgen. Also, bitte: Gibt es noch etwas, das ich wissen sollte?«
John schaute in Geraldines sanftes Gesicht mit den freundlichen Zügen, und dann wanderte sein Blick durch ihr gemütliches Büro. Sie waren seit vielen Jahren befreundet. Sie wusste alles über ihn, was es zu wissen gab, und sie kümmerte sich um seine Buchungen, seit er vor elf langen Jahren angefangen hatte, im Escort-Geschäft zu arbeiten. Gemeinsam waren sie durch dick und dünn gegangen. Aber sollte er ihr wirklich von den Zweifeln erzählen, die ihn neuerdings quälten? Von den verwirrenden Gedanken, die
Weitere Kostenlose Bücher