Alicia - Gefaehrtin der Nacht
wunderschön.
3. Kapitel
Ich erwachte, weil ein Sonnenstrahl direkt auf mein Gesicht fiel. Für einen Augenblick wusste ich nicht, wo ich war, dann wandte ich den Kopf und sah in Laureans hellgraue Augen. Waren sie nicht in der Nacht noch dunkel gewesen, beinahe schwarz? Er blickte mich unverwandt an, als täte er seit Stunden nichts anderes. Hatte er denn gar nicht geschlafen? In meinem Kopf brummte es wie nach einer durchzechten Nacht. Aber so viel hatte ich doch gar nicht getrunken? Eine undeutliche Erinnerung stieg in mir auf. Oh Gott! Wieder dieser Traum, erregend, ja, aber auch irgendwie beängstigend. Im Grund kannte ich diesen Mann doch überhaupt nicht. Vielleicht hatte er mir ohne mein Wissen irgendwelche Drogen verabreicht?
« Laurean, was ist passiert?»
Er antwortete nicht, tat so, als hätte er mich nicht gehört. Ich setzte mich auf und stellte fest, dass ich nackt war. Damit stand ja wohl fest, dass ich die weiteren Leistungen in Anspruch genommen hatte, doch außer einigen verwirrenden Traumbildern rührte sich noch immer keine Erinnerung. An das also, was wir tatsächlich getan hatten.
«Ich gehe jetzt», sagte ich und raffte mein Kleid und die Unterwäsche zusammen. Er reagierte überhaupt nicht. Wieder so ein Morgen danach, wo nach einer leidenschaftlichen Nacht alles nur noch schal und peinlich ist. Schade eigentlich, aber was hatte ich erwartet, bei … einem Callboy? Ich hätte es wissen müssen, trotzdem war mein Herz schwer. Hatte ich ihn überhaupt schon bezahlt? Mir wurde übel, als ich daran dachte, und während ich mich von Laurean abwandte, um wenigstens die Illusion von etwas Privatsphäre zu haben, leckte ich mir über die Lippen und verzog angeekelt das Gesicht. Es musste ein Traum gewesen sein, eine erotische, wilde und verstörende Fantasie, denn natürlich, es war vollkommen unmöglich, dass ich all das getan hatte. Wo waren denn nur meine Schuhe? Ich konnte sie nirgends entdecken und geriet in Panik.
Ohne mich noch einmal nach Laurean umzusehen, stolperte ich in die Eingangshalle, öffnete die hohe Tür und stand wenig später auf der Straße. Ich blickte nach links, dann rechts und überlegte, in welche Richtung ich gehen sollte, da brauste wie aus dem Nichts ein Taxi heran und kam unmittelbar vor meinen nackten Füßen zum Stehen. Der Fahrer sah mich nicht an und nickte nur stumm, als ich die hintere Tür öffnete und fragte, ob er in die Stadt führe. Das kam mir etwas sonderbar vor, aber was hätte ich sonst tun sollen als einzusteigen und mich nach Hause fahren zu lassen? Ich konnte ja kaum auf bloßen Füßen die ganze Stadt durchqueren, abgesehen davon, dass ich nicht einmal wusste, wo ich mich befand. Wie waren wir eigentlich hierhergekommen? Die Gegend war mir vollkommen fremd, vor der Stadt offensichtlich, denn weit und breit war kein einziges Haus zu sehen oder Autos oder Menschen. Nur Bäume, und hinter mir die Villa. Was für ein Glück, dass der schweigsame Taxifahrer zufällig vorbeigekommen war und angehalten hatte!
Als der Wagen anfuhr, blickte ich ein letztes Mal zum Haus hinüber. Es wirkte trostlos und verlassen. Bevor das Gebäude aus meinem Blickfeld verschwand, meinte ich, hinter einem der hohen Fenster im Erdgeschoss eine Bewegung zu erkennen. Eine hohe Gestalt, ein schmales, blasses Gesicht.
Ich lehnte mich im Fond zurück und schloss die Augen. Die pulsierende Kraft, die in der Nacht durch meinen Körper geströmt war, hatte mich verlassen. Ich fühlte mich zerschlagen und vor Erschöpfung so weich, als könnte ich in der Sonne zerfließen. Immer noch hatte ich diesen seltsamen Geschmack im Mund, metallisch irgendwie, und konnte mich nicht entscheiden, ob ich es mochte oder nicht, fremd war das und doch vertraut. Während der Fahrt blickte ich aus dem Fenster, ohne wirklich etwas zu sehen.
Erst als wir endlich vor meiner Haustür anhielten, wurde mir bewusst, dass ich dem Fahrer gar keine Adresse genannt hatte. Bevor ich mich weiter darüber wundern konnte, stellte ich mit Entsetzen fest, dass meine Handtasche verschwunden war. Hatte ich sie noch bei mir gehabt, als wir am Abend das Lokal verließen? Ich überlegte fieberhaft, doch da war nur eine gähnende Gedächtnislücke. Es kam mir vor, als hätte der gestrige Polterabend in einem anderen Leben stattgefunden. Zwischendurch blitzte das Bild des nackten Laurean auf, der blutend unter mir lag.
«Ich muss eben hinauflaufen und Geld holen, würden Sie bitte kurz warten?», keuchte
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