Alicia - Gefaehrtin der Nacht
Mensch war es sicher nicht, das konnte ich riechen.
«Wer bist du?», fragte ich und fletschte warnend die Zähne, wobei das kostbare Blut der Beute mir aus den Mundwinkeln lief. «Nenne deinen Namen und deine Kaste, wenn du mit Alicia sprichst, der Gefährtin des Laurean!»
Zur Antwort erhielt ich ein wütendes Knurren, doch war es nicht mehr ganz so herausfordernd wie zuvor. Ich wusste, dass ich nicht nachgeben durfte, wenn ich meine Stellung behaupten wollte. Auch wenn ich als Laureans Gefährtin an sich unantastbar war, so erkannte ich doch manchmal ein lüsternes und herausforderndes Funkeln in den Augen meiner Brüder und Schwestern. Mir war längst klar geworden, dass mir insbesondere die weiblichen Nobilat meine Stellung neideten. Zwar durften sie sich jederzeit dem Fürsten anbieten, doch auch wenn Laurean sich ihrer Körper und ihres Blutes bediente, bleiben sie doch die, die sie waren. Seit ich an seiner Seite war, hatte er stets abgelehnt. Aber ich wusste, dass dies nicht immer so bleiben würde. «Du kannst unsere Lebensspanne nicht mit menschlichen Maßstäben messen, Alicia», hatte Laurean gesagt. «So etwas wie Ehe und Treue gibt es bei uns nicht. Du wirst dich mit unseren Brüdern und Schwestern vereinigen und manchmal mit den Menschen, die zugleich deine Beute sind. Unsere Lust nach Blut und Paarung ist keine Sünde, Alicia, es entspricht unserer Natur. Das ist alles.»
In mir floss offenbar immer noch genügend menschliches Blut, dass allein der Gedanke an Laureans makellosen Körper, der sich mit einer anderen Salizarin vereinigte, mich die Zähne fletschen ließ. Ich wollte, dass er nur mir gehörte, aber das würde nicht in Erfüllung gehen. Um den Preis meines ewigen Daseins an Laureans Seite musste ich alles Menschliche aufgegeben. Bisher war ich den Blicken der anderen Salizaren jedes Mal ausgewichen, wenn sie meine Zustimmung suchten. Da ich höher gestellt war als sie, musste ich ein Zeichen geben, ehe sie sich mir nähern durften. Wenn ich nach einem Nobilat oder Suprimat verlangte, durfte ich mich ihrer jederzeit bedienen. Von den Inzepat sollte ich ablassen, so hatte Laurean es mir befohlen: «Ihr Blut ist unrein, da sie sich von Aas und niederen Lebewesen ernähren. Ihr Blut schmeckt bitter und faulig und es wird das deine ebenfalls verunreinigen. Sie sind deiner nicht würdig. Wenn einer von ihnen sich dir ungebührlich nähert, entreiße ihm das Amulett.»
« Was passiert dann mit ihnen?», hatte ich gefragt, doch Laurean hatte geschwiegen. Von einem Inzepat hatte ich also kaum Widerstand zu befürchten.
Ich konnte das Gesicht des anderen noch immer nicht erkennen. Er stand vollkommen unbewegt da, seine Silhouette wurde vom Lichtschein der fernen Straßenlaterne umrahmt. Das Gegenlicht störte meine Fähigkeit zur Nachtsicht, die noch nicht ganz ausgeprägt war.
Der Blutgeruch, den d er Leib zu meinen Füßen ausströmte, wurde schal. Ich war wütend, denn ich hatte nicht genügend getrunken, um meinen Durst zu stillen. Erneut knurrte ich in die Richtung des Fremden.
«Sprich, oder willst du der Gefährtin des Laurean nicht gehorchen? Tritt vor und zeige dich!», befahl ich. Doch der unbekannte Salizar rührte sich noch immer nicht. Stattdessen ließ er ein respektloses Fauchen hören.
«Gefährtin des Laurean? Dass ich nicht lache. Seine Hure bist du, seine Menschenhure. Nur weil du sein Blut geleckt hast, bist du noch lange keine Salizarin. Höre, Alicia, du bist weniger als ein Inzepat, denn in deinen Adern fließt menschliches Blut. Du bist keine von uns und wirst es niemals sein.»
«Hure nennst du mich? Dir werde ich es zeigen! Laurean wird dir das Amulett entreißen. Jetzt sage mir endlich deinen Namen und Stand, oder bist du zu feige? Ich meine doch, den fauligen Gestank von Aas zu riechen. Du bist wohl selbst nur ein Inzepat und wagst es, so mit deiner Herrin zu reden?»
Die hohe Gestalt trat näher. Ich musste mich beherrschen, um nicht zurückzuweichen.
« Du hast keine Ahnung, die du dich nun Alicia nennst und doch ein halber Mensch bist. Laurean und ich sind mehr als nur Stammesbrüder! Er und ich und unsere Schwester Jezebel sind die rechtmäßigen Abkömmlinge des ewigen Fürsten Androlus und seiner Gefährtin Geser. Du bist keine Herrin und wirst es niemals sein. Du bist nur die Menschenhure meines Bruders. Ich bin Desan, Nobilat vom Stamm der Salizaren, und damit von weitaus höherem Stand als du.»
Seine Stimme klang wie die Laureans, sie klang an sich
Weitere Kostenlose Bücher