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Alicia - Gefaehrtin der Nacht

Alicia - Gefaehrtin der Nacht

Titel: Alicia - Gefaehrtin der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Michelsen
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    Da versank ich schon in dem lustvollen Schmerz seines Bisses und vergaß, was ich hatte sagen wollen. Erst als der Morgen graute, richtete Laurean sich auf und sagte: «Nun berichte mir, was sich mit Desan zugetragen hat. Ich nehme an, mein Bruder hat dir eine Botschaft für mich mitgegeben.»
    « Ja, aber woher weißt du das?»
    Laurean schwieg. Seine Miene war unergründlich.
    « Bist du sauer, dass ich  … ich meine, ich hatte ja nicht gewusst, dass er dein Bruder ist. Er kam, als ich meinen Blutdurst stillte, und da er mich unterbrochen hatte, da dachte ich … »
    «Du musst mir nichts erklären, Alicia. Desan ist ein Nobilat wie alle anderen, auch wenn er meint, ein Anrecht auf meinen Titel zu haben. Du darfst dich seiner jederzeit bedienen, doch du musst vorsichtig sein. Er hat einst unseren Stamm an die Morganthen verraten. Darum hat Androlus, unser oberster Fürst, mich zu seinem Nachfolger bestimmt, bevor er starb, und Desan in die Verbannung geschickt.»
    «Aber ich dachte, ihr könntet nicht sterben? Ihr … ich meine, wir leben doch ewig, oder nicht? Und warum ist Desan dann wieder hier, wenn er verbannt wurde?»
    Laurean schüttelte den Kopf.
    « Ach, Alicia, ewig ist auch nur so ein Wort aus eurer Menschenwelt. Für uns ist es ohne Bedeutung, denn natürlich sterben wir nicht, wie ein Mensch stirbt, und darum müssen wir die Zeit auch nicht messen. Dennoch gibt es Dinge, die auch unser Dasein gefährden, und so ist es auch durch Desans Verrat geschehen.»
    «Wenn Desan dein Bruder und Jezebel deine Schwester ist, dann sind Androlus und Geser eure Eltern?»
    «Ja, als Mensch würdest du das so nennen, aber diesen Begriff gibt es bei uns nicht. Wir sind durch die Paarung des obersten Fürsten der Salizaren und seiner Gefährtin entstanden, doch von dem Augenblick an, da Geser uns in die Welt geworfen hat, sind sie nur noch unser Herr und unsere Herrin gewesen. Es passiert so selten, dass ein Salizarenfürst eine Nachfolge bestimmen muss, dass dieser Gedanke in unserer Kultur keine Rolle spielt. Erst als Androlus seine Vernichtung kommen sah, bestimmte er, dass ich fortan unseren Stamm führen soll.»
    Während i ch versuchte, all diese Informationen zu verarbeiten, schwirrten mir viele weitere Fragen durch den Sinn.
    «Aber warum hat Desan dann so einen Hass auf dich? Ich meine, wenn er es doch gewesen ist, der euch verraten hat? Und wer sind die Morganthen?»
    «Sie sind ebenfalls Blutdurstige und zugleich eine große Gefahr für uns Salizaren, Alicia. Desan hat seinen Verrat gebüßt und ich glaubte, dass er seine Tat bereut und sich geändert hätte. Aber nun befürchte ich, dass er sich erneut mit unseren Feinden verbünden könnte, nur um mich zu besiegen. Sei also auf der Hut vor ihm!»

5. Kapitel
    Wochen vergingen, vielleicht auch Monate, doch da ich keine Uhr mehr hatte und keinen Kalender mehr führte, verlor ich bald jedes Gefühl für die Zeit. Sie zu messen hatte jegliche Bedeutung verloren. Ich dachte nicht mehr ‹nächste Woche› oder ‹nächstes Jahr›, ich plante nicht mehr die Zukunft, stattdessen fügte ich mich in den endlosen Rhythmus meines Volkes ein. Ein Mal noch war ich in meine Wohnung zurückgekehrt, um die letzten Spuren, die noch an mein menschliches Dasein erinnerten, zu vernichten. Ich würde mich aus der Menschenwelt zurückziehen, das hatte ich entschieden, denn je länger ich mich bei den Salizaren aufhielt, umso sinnloser erschien mir all das Streben nach Geld, Besitz und beruflichem Aufstieg. Also setzte ich mehrere Schreiben auf, um Arbeit, Wohnung und alle weiteren Verpflichtungen meines früheren Lebens zu beenden. Mit Hilfe des Amuletts und eines Spruches, den Laurean mir verraten hatte, verwandelte ich anschließend alle Gegenstände, die sich noch in der Wohnung befanden, zu Staub. Am Ende blieb ein kleines Häufchen übrig, das ich mit beiden Händen aufnahm und dann aus dem geöffneten Fenster auf die Straße rieseln ließ. «Niemand darf Verdacht schöpfen», hatte Laurean erklärt. «Denke immer daran, in der Welt der Menschen keine Spuren zu hinterlassen. Der einzelne Mensch mag für uns leichte Beute sein, doch auch die Salizaren haben mächtige Feinde».
    Vieles hatte sich für mich verändert. Meine Haut war blass geworden, da ich kaum noch am Tag das Haus verließ. Im Laufe der Monate war mein ehemals mittelblondes Haar zuerst immer dunkler und schließlich so tiefschwarz geworden wie das der anderen Salizaren. Es wuchs schneller als früher

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