Alicia - Gefaehrtin der Nacht
ist die Schuld der schändlichen Morganthen, die unwürdig sind, sich Blutdurstige zu nennen. Feige unterwerfen sie sich den Mönchen und verraten die heilige Blutgöttin. Doch der Tag der Vergeltung und des Kampfes ist nah.»
Ein aufgeregtes Murmeln breitete sich in der Menge aus, doch Laurean fuhr fort: «Man bringe mir Alesh! Er wird euch siegreich durch diesen Kampf führen und Orlathat aus der Verbannung befreien. So ist es vorbestimmt.»
Zwei Nobilat-Wächter, die am Rande der Empore standen, blickten Laurean fragend an. Als er in ihre Richtung nickte, setzten sie sich in Bewegung. Jeder wusste, wo Alesh aufgezogen worden war: In einem der sichersten, weil vom Mittelpunkt der Gruft am weitesten entfernten Gänge. Mehrere Blutammen waren für seine Aufzucht verantwortlich gewesen und hatten sich um Aleshs Wohlergehen gekümmert. Er hatte seine Höhle noch niemals verlassen.
Nun, da ich Alesh in wenigen Augenblicken wiedersehen sollte, kam ich erneut ins Wanken. Ich fragte mich, was ich empfinden würde. Wer würde dieser junge Salizar für mich sein? Bedeutete ich ihm irgendetwas?
Die Wächter hatten das gegenüberliegende Ende der Gruft erreicht und verschwanden in dem dunklen Gang. Während wir warteten, wuchs die Erregung in der wartenden Menge. Es war Nacht geworden und alle dürsteten nach Beute. Die Luft vibrierte förmlich unter der Gier, die sich in den Leibern Hunderter Salizaren ausbreitete. Meine Muskeln waren angespannt, als stünde ein Kampf unmittelbar bevor. Ich dachte an den Traum, den Laurean und ich an diesem Tag heimgesucht hatten. Darin war ein Mann gewesen, der ein bleiches Wesen mit langen schwarzen Haaren überwältigt hatte, sie war makellos gewachsen und stark, viel stärker als der Mann selbst. Dennoch war sie an Armen und Beinen gefesselt gewesen, so wie der Mann es sich erträumte. Ihr Mund war blutig und zahnlos. Laurean und ich hatten uns in den Traum hineinfallen lassen und die Qualen, die der Träumende dieser Salizarin antat, zu seinen eigenen gemacht. Wir wurden zu seinem schlimmsten Alb. Er begann im Schlaf zu schreien, doch wir ließen ihn noch lange nicht erwachen. Am Schluss ließen wir ihn geschändet und blutleer zurück und das Einzige, das an seinem leblosen Körper noch Farbe hatte, war der Kranz aus dunklen Haaren auf dem ansonsten kahl rasierten Kopf. Mit diesen Bildern würde der Mann erwachen, und er würde sie niemals vergessen können.
I ch zweifelte nicht daran, dass ich bereit wäre, die Mönche auch in der Wirklichkeit zu töten, um meinen Stamm zu retten. Das war alles, was zählte!
Der Anblick der beiden Nobilat, die endlich aus dem Gang auftauchten, riss mich aus den Gedanken. Sie führten einen hochgewachsenen jungen Salizaren zwischen sich. Das Volk wich beiseite, um den Abkömmling des Fürsten durchzulassen.
Der junge Salizar ließ seine Begleiter am Fuß der Treppe zurück und schritt die restlichen Stufen allein empor. Hunderte von Augenpaaren hingen an der schmalen Gestalt, die ohne Eile einen Fuß vor den anderen setzte. Er war nackt, denn seine Abolla würde ihm erst nach der Aufnahme in eine der Kasten des Stammes verliehen. Dass Alesh aufgrund seiner Herkunft und Bestimmung den Nobilat zugerechnet würde, daran bestand kein Zweifel, doch zuvor würde er noch einem strengen Ritual unterworfen werden.
Der Jüngling war schmal und noch bei Weitem nicht so muskulös wie Laurean. Dies würde sich erst im Laufe der Zeit herausbilden, da Alesh noch keine Beute gemacht und sein bisheriges Leben in der Felsenhöhle zugebracht hatte, genährt von den Blutammen. Seine Gesichtszüge waren fein und ebenmäßig, das Haar tiefschwarz und mittellang. Alles in allem das perfekte Exemplar eines Salizaren. Die zu erwartende Ähnlichkeit mit Laurean war zweifellos vorhanden, doch etwas störte mich. Da war etwas in seinen Augen, es erinnerte mich an jemand anderen, ich konnte nur nicht sagen, an wen. Und müsste sich nicht etwas in mir regen? Müsste ich nicht wissen, dass dieses Wesen aus meinem Leib gekommen war?
Nein. Alesh war mir vollkommen fremd. Ich trat entschlossen vor Laurean und hob beide Arme, um den Neuankömmling aufzuhalten.
« Bleib, wo du bist, keinen Schritt näher!», herrschte ich ihn an und wandte mich zu Laurean um.
« Das ist nicht Alesh!»
«Was sagst du da?»
«Er ist es nicht!»
Laurean starrte erst mich an, dann wanderte sein Blick weiter und glitt über den glatten Leib des jungen Salizaren, als tastete er ihn mit den
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