Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Alicia II

Alicia II

Titel: Alicia II Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Thurston
Vom Netzwerk:
erneuert zu werden, denn ein neuer Körper wäre ein perfektes Versteck. Aber die Gesetze gegen den Einzug eines Körpers, der sozusagen noch nicht ganz abgetragen ist, sind sehr streng. Es sei denn, natürlich, daß man zur Regierung gehört, dann kann man sich erneuern lassen, wann immer es einem paßt. Von dem Augenblick an, als man mir meinen Wunsch abschlug, habe ich mich bemüht, diesen Körper, wie Sie sehen können, so schnell wie möglich zu verbrauchen. Doch ich fürchte, ich kann ihn nicht rechtzeitig ruinieren und die Killer werden eher da sein.«
    Wir beendeten die Mahlzeit, so seltsam das klingen mag, mit Irish Coffee. Er wäre ein Genuß gewesen, wenn ich nicht bereits so viel getrunken hätte. Zu spät bemerkte Pierre, in welcher Verfassung ich war, und versorgte mich mit einer weiteren Kapsel der Anti-Kater-Medizin. Sofort klärte sich mein Kopf, aber inzwischen war der Kaffee lauwarm geworden, und der Whisky darin hatte einen zu starken, vorherrschenden Geschmack angenommen.
    Als mein Gastgeber schließlich einen Spaziergang vorschlug, stimmte ich zu. Pierre gab sowohl dem Kellner Timothy als auch dem Maitre d’hotel ein großzügiges Trinkgeld und hinterließ einige Anweisungen für seinen nächsten Besuch. Als wir den Hauptspeisesaal des L’Etre durchquertem, bemerkte ich eine größere Zahl von Gästen. Die Atmosphäre strahlte Ruhe und Frieden aus. Offenbar war ein Artilleriebeschuß nicht geeignet, den Appetit zu verringern.
     

 
5
     
    Mit dem Eintritt der Dunkelheit und dem Aufleuchten der Straßenlaternen hatte sich die Gegend um das alte Gebäude belebt. Ich stellte einen schwachen Geruch nach wassergetränktem Holz fest. Wir mußten nahe an einem Fluß sein, dachte ich. Ein Mann wanderte am Rand des Bürgersteigs entlang und murmelte vor sich hin. Er hob Papierstückchen auf und stopfte sie in eine Tasche, die sich vor Abfall schon bauchte. Dieser selbsternannte Straßenreiniger suchte Gebiete ab, wo es entweder keine Straßenabzüge gab oder wo sie außer Betrieb waren.
    Müde rieb ich mir die Augen. Als ich sie wieder öffnete, kam Alicia auf mich zu.
    »Ich habe dich nicht gesucht«, sagte sie anstelle einer Begrüßung.
    »Magie«, erwiderte ich.
    »Wie meinst du denn das?«
    »Vor einer Minute warst du nirgendwo in Sicht. Ich rieb mir für einen Moment die Augen, und plötzlich bist du da.«
    »Du könntest mit einer konventionelleren Methode wie dem Reiben einer Zauberlampe noch mehr Glück haben. Wie ist es dir ergangen?«
    »Die Frage, die hier zu stellen ist, lautet: Wo bist du gewesen?«
    »Du darfst mich das aber nicht fragen. Möchtest du mir deinen Freund vorstellen?«
    Ich stellte sie einander förmlich vor. Pierre schaltete für Alicia sofort auf Charme. Sie stürzten sich in eine Diskussion über die Bildhauerkunst des 21. Jahrhunderts, die letzte Kunstepoche, die die Holographie benutzte. Ich hatte mich für die darstellende Kunst nie sehr interessiert, wenigstens nicht als Gesprächsthema, und so trottete ich neben ihnen her und war frustriert, weil ich wegen Pierres Anwesenheit nicht mit Alicia über die Dinge reden konnte, die mir seit Tagen auf dem Herzen lagen.
    Bald hatten wir einen mehr bevölkerten Stadtteil erreicht.
    Pierre schlug vor, in ein nahe gelegenes Lokal zu gehen, das er kannte. Ich hatte es satt, mit Pierre in Lokale zu gehen, und versuchte abzulehnen. Sowohl Alicia als auch Pierre ignorierten mein Widerstreben. Wir alle sprangen auf einen kostenlosen Elektro-Bus, der in diesem Viertel die Runde machte. Der Bus, eine etwas kleinere Kopie der alten Londoner Doppeldecker, war grauenhaft überfüllt. Das war immer so, weil laut Gesetz des Abends auf den Straßen bestimmter Distrikte nur Busse verkehren durften. Das historische Aussehen des Fahrzeugs inspirierte Pierre dazu, Alicia seine Meinung darüber aufzutischen, daß alle Dinge ungeachtet neuer Entwicklungen die gleichen blieben. Er benutzte teilweise genau dieselben Phrasen wie bei unserer Mahlzeit mir gegenüber, und das überzeugte mich noch mehr, daß viele seiner Ideen auswendig gelernte Vorträge waren.
    Wir stiegen vor einem pyramidenförmigen Gebäude mit breiter Basis aus. Die Kanten trugen wellenförmige Verzierungen bis oben hin. An der Spitze vieler dieser Wellen war ein Fenster.
    »Was für ein Baustil ist das?« fragte ich.
    »Kommerzieller Alptraum«, antwortete Pierre.
    »Machen Sie Witze?«
    »Nein. Nein, ganz und gar nicht. Kommerzieller Alptraum ist ein Stil der Gegenwart,

Weitere Kostenlose Bücher