Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Alicia II

Alicia II

Titel: Alicia II Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Thurston
Vom Netzwerk:
obwohl ihm dieser Name nicht von seinen Schöpfern gegeben wurde. Seine kurze Blütezeit liegt – oh – ein paar Jahrzehnte zurück.«
    »Es ist ein scheußlicher Stil.«
    »Wenn Sie dies Gebäude scheußlich finden, sollten Sie erst die Manifestationen des Stils in den anderen Künsten sehen.«
    Wir würden, so erklärte Pierre, das Amerika aufsuchen, einen Club auf dem Dach des Alptraumgebäudes. Wir gingen durch Türen, deren Rahmen ebenfalls Wellenform hatten, und kamen in ein konventionelles Foyer, das von einem enormen holographischen Wandbild, eine Szene der frühen amerikanischen Geschichte darstellend, beherrscht wurde.
    Aufs Dach wurden wir von einem Lift innerhalb einer Glasröhre befördert, die sich im Mittelpunkt des Foyers erhob.
    Während des langsamen Aufstiegs forderte uns eine Stimme aus einem Lautsprecher auf, die Figuren auf den Außenseiten der Balkons zu bewundern, die uns in jedem Stockwerk umgaben. Sie waren, so informierte uns die Stimme, die letzten Überbleibsel dieser Dekorationen aus früheren Perioden der New Yorker Architektur und würden hier erhalten, nachdem man sie von Müllhalden und aus zusammenbrechenden Gebäuden gerettet habe. Es war eine interessante Sammlung.
    Häßliche, bücherlesende Mönche, fluchtbereite Wasserspeier, Masken, die aussahen, als ob sie gleich zu sprechen beginnen würden. Alicia meinte, eine Figur, ein drachenähnliches Ungeheuer, das auf den Aufzug zuzuspringen schien, lasse ihr kalte Schauer das Rückgrat hinauf und hinunter rieseln. Mich faszinierte der Zackenkamm, der über Kopf und Körper lief.
    Pierre hatte natürlich eine eigene Meinung über die Geschichte architektonischer Höhepunkte, aber ich hörte ihm nicht zu und erinnere mich nicht einmal mehr, ob er sich billigend oder mißbilligend aussprach.
    Der Aufzug hielt vor dem Amerika. Ein Neonzeichen, eingeschaltet durch das Halten des Lifts, begann zu flackern.
    Die Lautsprecherstimme lud uns ein, unsere Gedanken zurück auf die beinahe dreihundert Jahre alte Geschichte der Vereinigten Staaten von Amerika zu richten, auf die Ideale und die Schönheit, die verlorengegangen seien, als das Land zwecks Bildung einer Weltregierung aufgelöst wurde. Kurz zusammengefaßt trug die Stimme all die Klagegesänge über das Opfer vor, das eine große Nation zum Wohle der größeren Gemeinschaft gebracht habe. Das hatte ich seit meiner Kinderzeit, als das Ereignis stattfand, immer wieder gehört.
    Die Aufzugtür öffnete sich, und indirekte Beleuchtung ging an. Wir sahen vor uns eine Gangway, die zu einer hier oben aufgebauten Schiffswand führte. Neben der Gangway drehte sich langsam ein großes Schaufelrad. Lichteffekte zu unsern Füßen schufen die Illusion sich kräuselnden Wassers. Aber ach, gleich jenseits der Illusion konnte ich über mehr als fünfzig Stockwerke bis ins Foyer hinuntersehen. Ich war dankbar, daß die Gangway mit einer hohen, transparenten Seitenwand ausgestattet war. Patriotische Hintergrundmusik begleitete leise unseren Vormarsch. Auf dem »Deck« kam uns ein Mann im Tropenanzug entgegen und fragte, für welche Räumlichkeiten wir uns entschieden hätten. Pierre verlangte das Gramercy-Zimmer. Der Mann nickte und führte uns hin.
    Das Gramercy-Zimmer war reich dekoriert, überreich sogar.
    Als erstes fiel einem ein rotierender Kronleuchter auf, dessen unzählige Facetten störend glitzerten. Es standen zu viele elegante Tische mit Plüschdecken, zu viele mit Verzierungen überladene Möbelstücke herum, der Fuß sank zu tief in den Teppich ein. Von allem war zuviel da, vielleicht einschließlich der Gäste. Schwacher Zigarrenrauch ging mir umso mehr auf die Nerven, als ich niemanden rauchen sah. Pierre verlangte ein privates Speisezimmer. Ein Kellner führte uns an eine der sauber in die roten Samtwände eingelassenen Türen, und wir betraten eine kleinere Version des Hauptraums. Ich fühlte mich unbehaglich. Alicia ging es offenbar ebenso.
    »Das Zimmer wirkt muffig«, sagte sie zu Pierre.
    »Das macht einen Teil seines Charmes aus, Kind.«
    »Sie sind das Kind, Pierre.«
    »Entschuldigen Sie, Alicia, das sollte nicht herablassend klingen.«
    »Tat es aber.«
    »Sie sind viel zu direkt.«
    »Zu direkt kann man gar nicht sein.«
    »Ich frage mich, meine Liebe, ob Sie bei näherer Bekanntschaft weniger charmant sein würden.«
    »Fragen Sie Voss. Er müßte es besser wissen als jeder andere.«
    »Nun?« Pierre setzte für mich ein teuflisches Grinsen auf.
    »Charmant«, sagte ich,

Weitere Kostenlose Bücher