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Alicia II

Alicia II

Titel: Alicia II Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Thurston
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ein.
    »Gin?« fragte ich. »Wirklicher, echter Gin?«
    »Das behaupten sie hier.«
    Der Kellner brachte die Getränke. Ich bat gleich um die Rechnung, staunte nur wenig über ihre Höhe und bezahlte.
    Obwohl ich noch nie Gin getrunken hatte, erkannte ich nach dem ersten Schluck, daß ich immer noch nie Gin getrunken hatte. Das Ersatzzeug hat einen bestimmten Beigeschmack, der einem auffällt, selbst wenn man das Original nie probiert hat.
    Aber ich tat so, als hielte ich den Gin für echt, und Mary schien angenehm berührt zu sein. Immerhin begann der Alkohol zu wirken.
    Mary wurde plötzlich nervös und starrte zu einem feisten, kleinen Mann herüber, der in einem Sessel nahe dem Ausgang beinahe versank. Er winkte ihr zu und erhob sich. Er wirkte wie ein König, der abgedankt hat und seitdem heruntergekommen ist.
    »Gott, es ist Sam«, flüsterte Mary. »Tut mir leid, Freund, ich muß zu ihm gehen. Das ist eine Sache der gesellschaftlichen Etikette.«
    »Warum?«
    »Er kontrolliert die Hälfte des Viertels. Und aus diesem Grund kontrolliert er auch mich. Komm mit.«
    Sie stolzierte hinüber, schaltete ihren Charme ein und setzte sich auf einen Diwan neben Sams Sessel. Ich nahm neben ihr Platz, und Sam streifte mich mit einem Blick. Ich hatte gedacht, vorhin Mißtrauen in Marys Augen bemerkt zu haben, aber richtiges Mißtrauen glühte mir erst aus denen Sams entgegen. Eine Minute lang glaubte ich, er werde von mir Empfehlungsschreiben verlangen. Ich sank tief in die weichen Polster des Diwans ein und versuchte, Mary als Hindernis zwischen Sams Blicken und mir zu halten.
    Sie tauschten Höflichkeiten aus. Sam rutschte weiter vor und musterte mich zweifelnd. Ich wurde mit einemmal wieder nüchtern.
    »Ich habe gerade Bescheid erhalten«, sagte er zu Mary. »Wir können ein besseres Geschäft machen als je zuvor.«
    »Sam, was nützt mir ein besseres Geschäft? Ich hasse das, was ich abgeschlossen habe, so sehr, daß ich ein besseres unmöglich noch mehr hassen könnte.«
    »Nein, hör zu. Das letzte Geschäft erwies sich als ungünstig; ich schäme mich, daß ich so viele von euch hineingezogen habe. Du mußt Gnade vor Recht ergehen lassen.«
    »So wie ich deine Geschäfte kenne, hast du wahrscheinlich deine Fahrkarte zum Beinhaus dem Teufel verkauft, und er hat dir versprochen, daß du als Gott erneuert wirst.«
    »Füge dem Verstand Emotion bei, wenn der Zeitpunkt gekommen ist.«
    »Horche nicht auf die Stimme, die dir zuflüstert: „Bald“.«
    »Komm, komm, Mary, das ist nicht fair. Ich will dir nur einen Gefallen tun.«
    »Einen Gefallen tun, nennt der Korrupte es, wenn er seine Brüder verkauft.«
    Angesichts der Leichtigkeit, mit der Mary Sprichworte zitierte, fragte ich mich, wie ich sie je hatte bluffen können.
    »Hör mal zu, Mary. Wenn ich mich recht erinnere, hast du doch eine Police, die dir eine gute Versorgung mit Geld- und anderen Mitteln zwischen deinem vierundzwanzigsten und fünfundzwanzigsten Geburtstag sichert.«
    »Wie sich dann herausstellte, war es keine gute Versorgung. Als du mir die Police verkauftest, sagtest du, ich bekäme mehr, als ich brauchen würde, um ein Jahr sorglos zu leben.«
    »Der Jargon der Branche, meine Liebe. Aber nicht meiner. Ich hatte es geglaubt. Ich war ehrlich überzeugt, das sei die vorteilhafteste Police, die jemals in der Geschichte der Versicherungsgesellschaften verkauft worden ist. Ich habe es wirklich geglaubt.«
    »Den Eindruck wußtest du zu erwecken.«
    »Natürlich, ich bin immer auf der Suche nach dem, was für meine Leute das Beste ist. Ich bin …«
    »Beste Bedingungen sind ein höherer Anteil der Einnahmen für dich.«
    »Du bist ungerecht, Mary. Ich bin Geschäftsmann, klar, aber ich betrüge dich nicht um den Sand, der in der Uhr verrinnt.«
    »Wer Zeit stiehlt, ist nicht nur ein Dieb, er wird zu Recht als Kleptomane verurteilt.«
    »Zum Teufel, Mary, sogar das hast du falsch zitiert.«
    »Frag ihn.« Sie wies mit dem Daumen auf mich. »Er ist Fachmann.«
    Beide starrten mich an. Nervöses Schweigen.
    »Ich glaube, du hast es richtig gebracht«, erklärte ich. »Ich glaube.«
    Sam beugte sich zu Mary vor. Sein Gesicht war ölig; Aufrichtigkeit dampfte ihm aus allen Poren.
    »Es ist das beste Geschäft, das du machen kannst, Mary. Deine Eingeweide werden danach schreien, wenn du es hörst.«
    »Meine Eingeweide schreien jetzt, aber nicht auf die Weise, die du meinst.«
    »Hör zu!«
    Seine Stimme vermittelte die Autorität eines Mannes, der

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