Alicia II
ich selbst.«
»Das muß ja ein Bett sein!«
»Ich würde dich auch alle Knöpfe drücken lassen.«
Ihr Kleid, das sich ihr vom Hals bis zum Oberschenkel ohne eine einzige die Symmetrie störende Falte anschmiegte, wechselte die Farbe von Blau zu Hellgrün. Es war ebenfalls so präpariert, daß es auf das Regenbogenlicht reagierte. Ich warf einen Blick auf ihre Schuhe. Die Slipper zeigten ähnliche Veränderungen, aber in dunkleren, tieferen Tönungen.
Sie nahm meinen Arm, führte mich die Straße hinauf und nannte ihren Preis. Ben hatte mich auf die augenblicklichen Honorare in Hough vorbereitet, aber ich war doch überrascht, als sie mir flüsternd eine Gebührenliste mitteilte. Selbst mit meinem neugewonnenen Sinn für Extravaganz fand ich die Forderung sehr hoch. Sie bemerkte mein Zögern, und als die erfahrene Geschäftsfrau, die sie war, vertrat sie ihren Fall, indem sie ihre Stimme mehr sexy klingen ließ als zuvor. Ihr letzter Schachzug war, daß sie mich unter einer Laterne anhielt, wo die Farbwechsel intensiver waren, und mich mit einiger Leidenschaft küßte. Ihre weichen Lippen und ihre abenteuerlustige Zunge hätten die letzten Überbleibsel von Enklave-Puritanismus aus mir vertreiben sollen. Es beunruhigte mich, daß sie es nicht taten. Obwohl diese Frau mit ihrem festen Körper ganz genau das war, was ich mir während der Rekonvaleszentenzeit ausgemalt hatte, reagierte ich nicht entsprechend auf sie. Mit meinem Verstand begehrte ich sie, aber ich konnte keine halbwegs überzeugende körperliche oder gefühlsmäßige Reaktion heraufbeschwören.
Da war kein beschleunigter Herzschlag, kein erwartungsvolles Zittern, keine Regung in der Lendengegend. Ich fragte mich, ob die Jahre nur leicht getrübter Treue zu Selena meine Einstellung zur Sexualität völlig verdreht hätten. Zum Teufel, denk nicht darüber nach, sagte ich zu mir selbst, du bist einfach aus der Übung gekommen. Ich küßte die Frau wieder und wurde mit ihr zu ihren Bedingungen handelseinig. Sie verlangte die Hälfte des Geldes im voraus. Auch darüber hatte Ben mich informiert. In Hough, hatte er gesagt, betrögen nur die Außenseiter – außergewöhnlich verbitterte Ausgemusterte und solche Erneuerten, denen es Spaß macht, unter ihnen Stehenden eins auszuwischen. Über die Sache mit den Ausgemusterten hatte ich mich gewundert. Ben sagte, viele der Kunden, die nach Hough kämen, seien Ausgemusterte kurz vor dem Ende, eine zynische Brut, die es nicht kümmerte, was sie anrichtete, und wenn es zum Schaden von ihresgleichen war.
Als ich mir die Geldscheine in die Hand blätterte und dabei Seitenblicke auf meinen neuen Erwerb warf, der eifrig mitzählte, entstand vor meinem geistigen Auge das Bild Selenas. Sie lachte laut darüber, daß ich eine Hure kaufte. Ich erinnerte mich an die Nächte, wenn ich mit Selena im Bett gelegen hatte und es mir nicht gelungen war, ihr die geringste sexuelle Aufmerksamkeit zu erweisen. Ein solches Versagen veranlaßte Selena regelmäßig, mir tröstend zu versichern, es spiele keine Rolle (und natürlich spielte es keine große Rolle für sie, zumindest nicht, nachdem die ersten Jahre unserer Ehe vorbei waren). Ich konnte dann nicht umhin zu denken (durfte es aber nicht aussprechen), daß es, gottverdammt noch mal, doch eine Rolle spielte. Wenn ich an meine frühere Lebensspanne dachte, schlug ich im allgemeinen den leichteren Weg ein und machte Selena für meine Zeiten der Impotenz verantwortlich. Sie war einfach nicht begehrenswert.
Mehr als das, Sex war ihr gleichgültig. Ihre Vorstellung von einer idealen Verbindung war es gewesen, Seite an Seite in metallischen Laboratorien und grell beleuchteten Konferenzräumen zu arbeiten und am Abend (Seite an Seite) den Arbeitstag durchzusprechen. Wenn ich besonders finsterer Stimmung war, dachte ich manchmal, mehr Chancen als bei mir habe sie auf einen Orgasmus, wenn sie sich mit einem Reagenzrohr befriedige.
Selena hatte zur Leistung der Enklave mehr beigetragen als ich. Rückblickend überlegte ich, ob ihre Geschlechtslosigkeit die Grundlage für ihren Erfolg gewesen sein konnte. Selbst mein Seitensprung mit Lanna war kein besonderes Erlebnis gewesen. Wie Männer es häufig tun, suchte ich mir eine Mätresse aus, die meiner Ehefrau so ähnlich war (freundlich, wenn ich versagte, voll höflicher Dankbarkeit, wenn ich Erfolg hatte), daß ich in meinem Sexualleben keinen wirklichen Fortschritt machte. Ich redete mir mit aller Gewalt ein, es gäbe eben
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