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Alicia II

Alicia II

Titel: Alicia II Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Thurston
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Schlucke aus meinem Glas, um mich zu beruhigen. Plötzlich stellte ich fest, daß ich auf dem Boden des Glases angelangt war und nur noch Eiswürfel zwischen die Zähne bekam.
    »Noch eins?«
    Anstelle einer Antwort reichte ich ihr mein Glas.
    »Ich wollte damit nur sagen«, erklärte sie, während sie ein zweites Mal die Mixmaschine in Gang setzte, »daß wir Möglichkeiten finden sollten, die gleichen Vorrechte wie die Erneuerten zu erlangen. Wir verdienen ebenso eine Chance auf ein verlängertes Leben.«
    »Darüber will ich mit dir nicht streiten, aber woher wollt ihr dann die Körper bekommen, in denen ihr euer Leben fortsetzen könnt?«
    Ihr Groll gab mir ein unbehagliches Gefühl. Ich trank das zweite Glas hintereinander leer.
    »Sei vorsichtig, Unsterblicher. Ich mixe sie ziemlich stark.«
    Damit hatte sie recht. Wieder zeigte mein Körper, daß er nicht an Alkohol gewöhnt war. Bru und das Zimmer verschwammen ein wenig vor meinen Augen.
    »Das nächste Glas werde ich langsamer trinken.«
    »Dann ist’s ja gut. Höre, es tut mir leid, daß ich dich angestänkert habe. Uns kommt nur selten einer von euch so nahe, daß wir lostoben können, und manchmal übertreiben wir.«
    »Lostoben würde ich es nicht nennen, aber übertreibe so viel, wie du magst. Ich bin sicher, es wird lustig werden.«
    »Lustig? Das ist genau die Art von Bemerkung, die ich von einem von euch erwartet hätte.«
    »Das tut jetzt mir leid. He, hören wir doch auf mit diesem ‚einer von euch’. Ich heiße Voss, hast du das vergessen?«
    »Ich fülle lieber die Gläser noch einmal, damit wir uns beruhigen.«
    »Ich weiß nicht recht.«
    Während sie die nächste Runde mixte, probierte ich, ob ich das Gleichgewicht noch halten konnte. Ich schaffte es mühelos, mich auf die Füße zu stellen, aber als ich im Zimmer umherging, war ich ein bißchen unsicher. Bru hielt mich mit einem Old-fashioned auf.
    »Was ist denn das?« Ich zeigte auf eine zierliche Statue auf einem Eckregal. Sie war klein, in vielen Farben bemalt und von Gegenständen umgeben, mit denen ich nichts anzufangen wußte.
    »Nur eine Statue, eine kleine«, antwortete Bru.
    »Was für eine Statue?«
    »Eine religiöse. Eine Heilige. Eigentlich eine Märtyrerin.«
    »Eine Heilige? Das überrascht mich.«
    »Ich verstehe dich nicht.«
    »Ich hatte nur nicht damit gerechnet, daß einer von euch sonderlich religiös sein könnte.«
    »,Einer von euch’, wie? Mein Name, lieber Voss, lautet Bru.«
    »Okay, du hast recht.«
    Wir hoben die Gläser und tranken.
    »Dann ist es also ein Schrein, ein gottverdammter – äh, ein Schrein.«
    »Genau das ist es. Jeder hier herum hat einen. Das ist St. Ethel.«
    Sie gab ihre hagiographische Erklärung ab, als müsse ich sie sofort verstehen.
    »Dann bist du Katholikin«, meinte ich.
    »Nie in deinem ganzen Leben, Unsterblicher. St. Ethel ist keine katholische Heilige, weit davon entfernt. Nicht für eine Million Dollar würde man sie kanonisieren. Nicht nach dieser päpstlichen Bulle, die eine spitzfindige Rechtfertigung des Erneuerns darstellt. Nein, Sir, Ethel gewann Heiligkeit durch das wahre Eingreifen des wahren Gottes.«
    »Wie ging das zu?«
    Einen Augenblick lang sah sie aus, als wolle sie das Thema lieber nicht weiterverfolgen. Dann seufzte sie und sagte: »Ethel … nun, Ethel war einfach eine von uns. Sie lebte in Denver vor vielleicht fünfundsiebzig Jahren. Schon ehe sie sechs wurde, hörte sie Stimmen und gab den Leuten in ihrer Umgebung Rat.«
    »Eine richtige Heilige Johanna, vermute ich.«
    »Du kannst vermuten, was du willst. Über die Heilige Johanna weiß ich nichts. Ethel hörte ihre Stimmen, und anfangs gab sie nur Rat. Du weißt schon: Sei geduldig, und dein Liebster wird noch in diesem Monat zurückkehren, habe Glauben, und du wirst großen Reichtum gewinnen, bete, und das Glück wird zu dir kommen. Es war nichts Merkwürdiges daran, außer daß diese Ratschläge von einem kleinen Kind gegeben wurden.«
    Während sie über Ethel sprach, näherte sie sich, als sei sie gerufen worden, dem kleinen Schrein und drehte einen Schalter an seinem Sockel. Diffuses Licht fiel auf die Statue, die ein ziemlich unscheinbares Mädchen darstellte, das mit unschuldigen Augen nach oben blickte, Heiligenbildern aller Religionen nicht unähnlich. Die Statue war gut gemacht und lebensecht, besonders für eine Miniatur. In einem schiefen Halbkreis waren um den Sockel typische Opfergaben angeordnet: Kerzen, kleine Plastikblumen,

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