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Alicia II

Alicia II

Titel: Alicia II Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Thurston
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ihres Lebens. In dieser Zeit sagte sie nicht nur zukünftige Ereignisse voraus, sowohl Katastrophen als auch rein persönliche Geschehnisse, sie wirkte bei Gelegenheit auch Wunder.«
    »Wunder …«
    »Ich weiß schon, was du sagen willst. Du willst dich darüber lustig machen. Wunder sind ebenfalls Tradition. Gott gewährt uns Wunder, damit wir die Wahrheit erkennen. Sie sind ein kurzes Aufblitzen der Wahrheit, bestimmt für diejenigen, die sie sehen und verstehen können. St. Ethel heilte Kranke. Sie legte die Hände auf Köpfe und Körper leidender Kinder und sagte zu ihnen: „Du wirst geheilt, damit dein Körper bis zu der Zeit erhalten bleibt, wo das Beinhaus zu dir kommt, und dann möge deiner Seele nach einer langen Zeit der Qual Erlösung werden.“«
    »Hmmm, ich finde, für das Kind wäre es besser gewesen, zu sterben – und seine Seele ebenso wie seinen Körper vor der Entwürdigung des Erneuerungsprozesses zu retten.«
    Bru blickte siegesbewußt drein. Ich hatte ihr in die fanatischen Hände gespielt.
    »Genau diese Frage wurde ihr gestellt, und sie antwortete, wir müßten unsere Leiden ertragen, um des Himmels würdig zu werden. Wahrscheinlich willst du jetzt wieder einwenden, das sei nur die Wiederholung eines Glaubensgrundsatzes, der vielen früheren Religionen gemeinsam ist.«
    »Ich habe es gedacht, aber ich wollte es nicht aussprechen.«
    Etwas von diesem Zeloteneifer verschwand aus ihren Augen.
    »Tut mir leid, ich wollte nicht heftig werden. Du mußt verstehen, daß ich mich ausschließlich mit dem kurzen Leben, das ich habe, beschäftige, und deshalb habe ich Augenblicke, in denen ich mich hinreißen lasse. Entschuldige.«
    »Kein Grund, sich zu entschuldigen. Erzähle mir mehr über deine Heilige. Was ist ihr widerfahren?«
    Auch über diese Frage freute sie sich. Echos einer Litanei hallten in ihrer Stimme wider, als sie fortfuhr. Das Licht Gottes glänzte auf ihrem Gesicht und war richtig sexy.
    »Als Ethel älter wurde, Anfang Zwanzig war, sagte sie, sie müsse dem Tod vor ihrer Zeit entgegengehen. Irgendwie gelang es ihr, daß die Erneuerungsdirektoren sie im Alter von zweiundzwanzig akzeptierten, vier Jahre zu früh. Es war keine Versicherungspolice im Spiel, es war nichts als eine freiwillige vorzeitige Auslieferung an das Beinhaus. Doch als die ihr festgesetzte Stunde nahte, verfiel sie in Schwermut, meditierte lange und konnte sich mit den Leuten, die zu ihr kamen, kaum verständigen. Sie berichteten, Ethel spreche in unzusammenhängenden Ausdrücken, in sinnlosen Sätzen.«
    »Vielleicht hatte sie einfach Angst.«
    »Vielleicht, aber als sie aus dieser Zeit der Kümmernis auftauchte, nur ein paar Tage, bevor sie sich in die Erneuerungskammer begeben mußte, setzte sie sich nicht mehr für demütiges Hinnehmen ein. Sie sagte, indem wir unsern Status als Ausgemusterte akzeptierten, täten wir unsern Seelen Gewalt an, statt ihnen die Erlösung zu erwerben. Die Leute hielten ihr vor, wenn das wahr sei, dann habe sie zuvor unrecht gehabt. Hatten die Stimmen sie belogen, als sie ihr sagten, der Himmel warte am Ende ihrer Wanderungen auf die leidenden Seelen? Sie antwortete nein, Gott sei gnädig und werde fortfahren, die Pforten des Himmels für uns offenzuhalten. Aber Er wolle etwas anderes von uns. Er wolle, daß wir uns den Qualifizierten widersetzten, daß wir alles täten, um zu verhindern, daß unsere Körper ihr Eigentum würden. Sie sagte, wir müßten die Erlösung aufs Spiel setzen, um die Schändung unserer Körper durch die Hände derer, die uns versklavt hätten, zu verhindern. Ihre Stimmen sagten ihr jetzt, wir müßten alles in unserer Macht Stehende tun, um das Erneuern zu verhindern, und wenn wir es nicht verhindern könnten, dürften wir unser Schicksal nicht einfach passiv hinnehmen. Ihre Jünger fragten sie, was sie tun sollten, aber sie antwortete, das müßten sie selbst herausfinden.«
    »Nach allem, was ich heute abend gehört habe, finden sie es langsam heraus.«
    »Ich weiß nicht, was du gehört hast, aber es könnte mancherlei sein. Jedenfalls fragten sie sie, was sie selbst zu tun plane. Wolle sie sich den Qualifizierten aktiv widersetzen, sich verstecken, sie angreifen oder was sonst? Sie sagte, sie sollten zum Beinhaus kommen und es sich ansehen. An dem für Ethel festgesetzten Tag drängte sich die Menge vom Beinhaus bis zum Horizont. Den meisten Leuten, die eintrafen, war klar, daß es ihnen nicht möglich sein würde zu sehen, was St. Ethel tat, um ihren

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