Alicia II
Reparaturarbeit vorgenommen worden war. Nur hier und da ein Zwacken erinnerte an den Kampf.
Obwohl ich mich an einem fremden Ort befand, erkannte ich ihn sofort an den Vorhängen und technischen Ausrüstungen.
Ich war hinter der Bühne eines Theaters.
Jemand berührte meinen Arm. Ich drehte den Kopf und sah die Schauspielerin, die mich geküßt hatte, deren Gesang dem Aufruhr vorangegangen war. Sie wirkte nicht mehr schön.
Streifiges Make-up und Schweißperlen riefen die Illusion einer Maske hervor, die sich von ihrem Gesicht ablöste.
»Lieg still«, sagte sie, als ich mich aufsetzen wollte. Ich lag auf irgendeiner Liegestatt. »Laß die Salben und Chemikalien wirken. Du bist beinahe so schön wie an dem Tag, als dich die Mutter eines anderen geboren hat.«
»Die Mutter … eines anderen?«
In dem Augenblick, als ich sprach, merkte ich, wie benommen ich war. Die Schauspielerin nahm ein Handtuch, das sie im Schoß liegen hatte, und wischte das Make-up von ihrem Gesicht. Ich fürchtete mich davor, die Frau hinter der Maske zu sehen.
»Wer immer die hübsche Hülle produziert hat, die du so ungerechtfertigt bewohnst.«
»Ach so … Politik.«
»Ja … Politik.«
Ihr natürliches Aussehen war weder nymphenhaft noch schön. Ein Bogen in ihren Augenbrauen und die seltsam verzogene Linie ihres Mundes ließen sie finster erscheinen.
Aber ihre braunen Augen waren freundlich, und sie hatte eine niedlich schulmädchenhafte Stupsnase.
»Wie … heißt du?«
»Brunnhilde.«
»Dein … wirklicher Name?«
»Natürlich ist er das nicht, aber du wirst meinen wirklichen Namen nicht aus mir herausbekommen. Und wie heißt du?«
»Voss … Vossilyev Geraghty.«
»Ist das dein wirklicher Name?«
»Ja.«
»Kein Bühnenname?«
»Nein … Irischer Vater, russische Mutter, in diesem Land geboren. Was früher dieses Land war.«
»Okay, Voss, aber wenn du je ins Schaugeschäft willst, wird dieser Name sich auf einem Plakat nicht gut machen.«
Ein Mann, gekleidet in das Chor-Kostüm, trat an das Liegebett und blickte auf mich herab. Nach seiner Interesselosigkeit zu schließen, hätte ich ein Toter im Leichenschauhaus sein können.
»Geht es ihm besser, Bru?«
»Sieht so aus. Laß ihm noch eine oder zwei Minuten Zeit.«
»Nun gut, aber wir schaffen ihn besser bald hier hinaus. Alle Welt kann sich an den Fingern abzählen, daß wir ihn haben, und dann werden sie an die Tür des Bühneneingangs trommeln. Aber im Augenblick ist die Luft rein, und wir schließen nach der nächsten Nummer für heute abend. So können wir uns alle in die Kulissen verkrümeln und Unannehmlichkeiten aus dem Weg gehen.«
Er ging weg.
»Okay, Pet«, rief Bru ihm nach.
»Pet?«
»Sein Bühnenname. Meiner ist Sue.«
»Sie wissen nicht, daß ich hier bin?«
»Nein. Pet hat die Lichter ausgeschaltet. Einer unserer Akrobaten stellte deinem Angreifer ein Bein, und ein paar von uns trugen dich weg. Als die Beleuchtung wieder anging, überzeugten wir deine Freunde, die Dunkelheit sei ein Unfall gewesen und du müßtest zum Vorderausgang hinaus entflohen sein. Eine so alte Ausrede, daß schon Moos darauf wächst, aber diese Kerle sind nicht allzu helle. Deshalb gingen sie auf die Suche nach dir. Sicher erwarteten sie, dich in deinem eigenen Blut schwimmend im Rinnstein zu finden. Dein Mädchen machte nicht den Eindruck, als kaufe sie uns die Geschichte ab, aber jedenfalls ging auch sie, und zwar in eine andere Richtung als deine Freunde.«
»Es war gut von dir, von euch allen, mich zu retten.«
»Danke uns nicht. Wir behandeln nur jeden, wie wir möchten, daß einer von uns behandelt wird. Es ist eine Tradition des Theaters, in einer Krise hilfsbereit zu sein, das sagt Pet jedenfalls.«
»Wie dem auch sei, ich habe Glück gehabt, daß ich den Kerlen entronnen bin.«
»Ich würde jetzt lieber noch nicht von Glück reden.«
»Wie meinst du das?«
»Du hast ein klein wenig Glück gehabt, daß du vor diesen Orang-Utans gerettet worden bist, aber als glücklich darfst du dich erst betrachten, wenn du die Nacht überstehst und, das ganz besonders, aus Hough hinausgelangst. In ungefähr fünf Minuten wird Pet dich in der Hintergasse allein lassen, wie eine Katze, die niemand haben will. Kennst du den Weg von da aus?«
»Ich fürchte, nein. Kannst du ihn mir beschreiben? Mir eine Karte zeichnen?«
»Ausgeschlossen. Durch diesen Irrgarten aus pastellfarbenem Nebel draußen würde ich niemals irgendeinen Weg finden. Sieh mal, ich habe schon bei
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