Alicia II
Gründe, den Planeten zu verlassen, gar nicht altruistisch. Ein Hinweis darauf ist, daß ich mit den meisten meiner Raumdienstkollegen keinen richtigen Kontakt bekam. Vielleicht hoffte ich, mich in dem rauheren Leben, dem gefährlichen Leben von einem Tag zum andern auf einem unserer Außenposten verlieren zu können. Ich stellte sogar einen Antrag auf einen Posten mit erhöhtem Gefährlichkeitsgrad. Das erweckte das Interesse der Frau, die die Formulare ausfüllte, und sie versuchte, mich darüber auszuholen, warum ich mich freiwillig für etwas meldete, das sonst keiner tun wollte. Sie machte mich darauf aufmerksam, falls meinem gegenwärtigen Körper (so drückte sie sich aus, als sei er nichts weiter als ein Artikel aus dem Lager – wir haben nicht mehr viel Vorrat an »gegenwärtigen Körpern«, bitte schicken Sie noch zwölf Dutzend) etwas passierte, hätte ich keine Garantie, daß ich für den Transport zu einer Erneuerungskammer und einer neuen Hülle lange genug konserviert werden könne. Die meisten Posten mit erhöhtem Gefährlichkeitsgrad gebe es bedenklich weit von Planeten mit Erneuerungskammern entfernt, sagte sie. Der Betrieb sei so kompliziert, daß nur bestimmte Planeten die notwendige Technik für eine Erneuerungskammer besäßen. Beinhaus, korrigierte ich sie. Sie bat um eine Erklärung, warum ich diesen vulgären Ausdruck benutzte. Ich erklärte, und sie hörte auf zu bohren. Die Grundausbildung, bei der ich in (wie sich später herausstellte) überholten Kampf- und Überlebenstechniken geschult wurde, ging schnell vorbei.
Nachdem ich einen langen Abschiedsurlaub auf der Erde abgelehnt hatte, wurde ich auf ein Schiff verfrachtet, das nach einem Außenposten mit sehr hohem Gefährlichkeitsgrad bestimmt war. Es war weniger als ein Jahr vergangen, seit ich den Fußstapfen eines reizenden Kindes über feuchten Sand gefolgt war.
Zweiter Teil
1
Stacy wurde mein Freund auf dem beschönigend Coolidge genannten Planeten während des Kommandos, das die meiste Zeit meines Aufenthalts im Raum verschlang.
Bevor ich an Bord der Fähre nach Coolidge geschickt wurde, überprüfte das Personal der Orbitstation sehr genau das Anpassungssystem, das mir chirurgisch in die Brust eingepflanzt war. Das Anpassungssystem machte die Atmosphäre von Coolidge für meinen Körper atembar. Vor allem erlaubte es mir, unbeschadet die Spuren von Methan und andere, nach irdischen Begriffen nicht zu identifizierende Elemente in der Luft des Planeten zu inhalieren.
Beim Flug hinunter zum Planeten betrachtete ich die fast reihenweise angeordneten Linien verschiedener intensiver Farben, die die Oberfläche überzogen. Sie mischten sich unter die anderen, für menschliche Augen normalen Farben von Land, Meer und Wolken. Auf mich machte es den Eindruck, als habe ein Maler, dem es mehr darum ging, Schattierungen und Abstufungen auszuprobieren, als sein Talent an ein Meisterwerk zu wenden, an vielen Stellen ganz zufällig Farbe aufgetragen.
Ich entschloß mich, den Piloten danach zu fragen.
»Wissen Sie, was all diese Farben auf der …«
»Ich bin nur der Pilot.«
»Aber hat nicht irgendwer mal etwas darüber …«
»Mit mir spricht niemand.«
»Das kann ich kaum glauben.«
»Sie werden es glauben, wenn Sie mich erst kennengelernt haben.«
»Werde ich Sie so oft …«
»Ob Sie auf dem Satelliten oder der Landeplattform zu tun haben: Dies ist die einzige Fähre, die Sie benutzen können.«
»Und Sie sind der einzige …«
»Richtig.«
»Und Sie reden nie …«
»Nicht mit euch, es sei denn, ich werde angesprochen.«
»Ich sehe, daß Sie nicht ganz …«
»Ich halte mich für mich.«
»Sie sprechen, als stammten Sie aus New England.«
»Das glauben viele.«
»Stammen Sie von dort?«
»Nein.«
»Woher …«
»Toronto, Alt-Kanada, Neu-Sowieso.«
»Jedenfalls ein kaltes Klima.«
»Beinahe jeder Neue macht diese Bemerkung.«
»Sie gewinnen.«
»Tue ich meistens.«
»Wie heißen …«
»Stacy.«
»Vor- oder …«
»Familienname.«
»Ich werde ihn mir …«
»Tun sie das.«
Ich gab es auf, mich mit ihm zu unterhalten. Auf dem restlichen Flug zur Planetenoberfläche herrschte zwischen uns die Gleichgültigkeit zweier Menschen, die sich nur in Ausübung ihrer beruflichen Pflichten wiedersehen werden.
Ich staunte, als Stacy ein paar Monate später, seine Ausrüstung über die Schulter geworfen, vor meinem Wohnquartier auftauchte. Einen Augenblick lang konnte ich mich seiner nicht genau
Weitere Kostenlose Bücher