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Alicia II

Alicia II

Titel: Alicia II Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Thurston
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Asche hinterlassen. Mein Kopf klärte sich, und ich sagte zu Stacy: »Danke, du hast mir das Leben …«
    »Du mir auch. Wir sind quitt.«
    »Aber mir ist es ein Bedürfnis, dir trotzdem …«
    »Nein.«
    »Warum nicht? Warum soll ich nicht die Befriedigung …«
    »Kann ich nicht leiden.«
    »Du hältst eine Lebensrettung für nichts Besonderes?«
    »Habe ich nicht gesagt.«
    »Und?«
    »Doch.«
    »Als du am Boden lagst und das Tier dich mit seinem Stechapparat stach, wolltest du da gerettet werden? Warst du nicht froh, daß ich das Wesen von dir weggezogen habe?«
    »Glaube schon.«
    »Du glaubst es? Hast du keine Dankbarkeit empfunden, daß ich dir mit meiner Geistesgegenwart und körperlichen Behendigkeit das Leben gerettet habe?«
    »Es hat mir etwas Sorgen gemacht, wie ich mich schnell genug bewegen sollte, um dich zu retten.«
    »Aber zuerst habe ich dich gerettet, verdammt noch mal.«
    »Stimmt.«
    »Und was du für mich …«
    »Es war deine Pflicht.«
    »Meine Pflicht, dir das Leben …«
    »Das ist unsere Pflicht dem anderen gegenüber. Und der Rest des Teams …«
    »Ach, hör auf, Stacy. Ich bin zu schwach für diese Art von – vergiß es.«
    Er nickte. Natürlich nickte er. Schweigen und es vergessen, das hatte er ja von Anfang an gewollt.
     

 
3
     
    Stacy und ich retteten einander oft vor schweren Verletzungen oder dem Tod, doch normalerweise nicht vor so exotischen Wesen wie unser geheimnisvolles Tier es war. Warum hatte ich, statt Stacy einfach zu danken, einen langen Dialog inszeniert? Teils wohl wegen seiner Schweigsamkeit und teils, weil ich mich immer in einer Art Rausch fühlte, wenn ich knapp davongekommen war. Mir gewährte es einen besonderen Genuß, nicht nur mein Leben, sondern auch meine künftige Erneuerung zu riskieren und das System zu schlagen, indem ich nicht starb.
    Aber Stacy bedankte sich nie. Daß ihm das Leben gerettet wurde, gehörte für ihn zum Alltag.
    Einmal sagte ich zu ihm: »Legst du so wenig Wert auf dein Leben, Stacy?«
    »Wenn es eine handelsfähige Ware ist, werden andere den Preis festsetzen.«
    »Aber dir selbst bedeutet es nichts?«
    »Habe ich nicht gesagt.«
    »Hast du keinen Selbsterhaltungstrieb, der deinen Körper intakt hält, damit du es bis zur nächsten Erneuerung schaffst?«
    »Hast du einen?«
    »Wir reden nicht von mir.«
    »Sie haben vollkommen recht, Sir.«
    »Nimm mich mit deinem „Sir“ nicht auf die Schippe. Ich möchte eine Antwort von dir haben.«
    Er zuckte die Schultern.
    »Hat Leben, dein Leben, für dich keine …«
    »Doch.«
    »Warum täuschst du mir dann vor, es habe keine …«
    »Ich täusche nichts vor. Du willst, daß ich etwas vortäusche. Du willst eine Bestätigung, daß ich dein Echo bin.«
    »Erklär mir das.«
    »Nein.«
    »Du kannst einen in Wut bringen, weißt du das?«
    »Glaube schon.«
    Wenn ich an diese Wortwechsel zurückdenke, die zwischen uns zur Routine wurden, dann fällt mir auf, daß mir hätte bewußt sein müssen, wie absurd ich war. Aber damals war es mir nicht bewußt.
     

 
4
     
    Stacy und ich hatten über zwei Jahre zusammengearbeitet, als sich die Angriffe meiner Kollegen zu häufen begannen. Sie pflegten allein, zu zweit und manchmal gar in einer schüchternen, nervösen Gruppe von dreien in mein Quartier einzudringen und ihre Anklagen vorzutragen. Aber immer haperte es mit den Beweisen. Sie behaupteten, Stacy habe sie bestohlen, doch er hatte keine Spuren hinterlassen, die ihn überführten. Wenn ich fragte, warum sie nach den gestohlenen Dingen nicht gesucht hätten, stotterten sie hervor, seine Mausereien schienen sich auf verderbliche Güter zu beschränken. Essen, Seife, Reinigungsmittel, Toilettenpapier.
    Wenn sie merkten, daß ich so geringfügige Diebstähle nicht ernst nahm, berichteten sie mir, er eigne sich alle diese Dinge für mich an – um mir das Leben angenehmer zu machen. Sie waren böse, daß sie nicht jeden Tag duschen konnten, daß ihr Besitz an Toilettenpapier beschränkt war, daß sie den Schlangenfraß essen mußten, den es in der Kantine gab.
    Immer, wenn sie erkannten, daß ich nicht angemessen reagierte, wenn sie mir das Bild Stacys als eines gewöhnlichen Diebs malten, setzten sie weitere Posten auf die Liste seiner Vergehen. Und das war eine Liste, die sich sehen lassen konnte: Insubordination, Spöttelei, Sarkasmus, verächtliche Blicke, unangebrachtes Lachen, Mißachtung von Privateigentum, Fallenlassen zerbrechlicher Gegenstände, Betreten der Aufenthaltsräume mit

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