Alicia II
nachrufen, warte, aber ich brachte keinen Ton heraus. An der Tür drehte er sich um.
»Leb wohl«, sagte er.
»Ja, schon gut, dann also auf Wiedersehen.«
Ohne zu lächeln, ohne einen Gesichtsmuskel zu verziehen, ja, ohne seinem Körper eine Wendung zu mir hin zu geben, sagte »Und – oh, danke.«
»Für – Gottverdammich, wie kannst du etwas so Blödes, Hämisches, Gemeines sagen, wenn …«
Aber er war fort. Ich beschimpfte ein Nachbild.
Während meines ganzen Aufenthalts auf Coolidge hörte ich nichts mehr von oder über Stacy. Es tauchte das übliche Gerücht auf, er sei auf seinem neuen Posten bei irgendeiner Unternehmung getötet worden, aber das glaubte ich nicht. Die meisten meiner Kollegen auch nicht, denn sie wußten, derartige Geschichten kamen nach einem Abschied immer in Umlauf. Ich bezweifelte, daß er gestorben war, es hätte ihm so gar nicht ähnlich gesehen.
Als ich Coolidge verließ, versuchte ich, Stacys Aufenthaltsort ausfindig zu machen. Dank unserer Raumbürokratie war es wirklich nicht schwierig, ihn zu finden. Auf einem Planeten namens Oddment sahen wir uns wieder. Anfangs weigerte er sich, von neuem mein Assistent zu werden, aber offensichtlich stellte er eine Veränderung an mir fest, die ihn anderer Meinung werden ließ. Wie dem auch sei, Oddment war ein ziemlich friedlicher Planet, und es gab dort nicht viele Schwierigkeiten, in die einer geraten konnte. (Das einzige Individuum, dem ich meine sexuelle Unfähigkeit jemals gestand, war ein geistig ziemlich schwerfälliger Eingeborener von Oddment. In seiner Kultur war der Verlust des Zeugungsapparats keine Katastrophe für einen Mann, weil das es ihm ermöglichte, sich auf höhere Dinge zu konzentrieren.
Diese Leute glaubten, sexuelle Energie könne in andere umgewandelt werden und das sei auch das beste. Deshalb nahm er mein Problem gar nicht ernst, aber er arbeitete nach meinem Geständnis bereitwilliger mit mir zusammen als vorher.) Stacy und ich funktionierten auf Oddment als Team vielleicht noch besser als auf Coolidge. Es kann auch sein, daß sich unsere Beziehung verfeinert hatte.
Schließlich bekam ich es satt, bei fast jedem Kommando an die vorderste Front geschickt zu werden. Ich entschloß mich, zur Erde zurückzukehren und festzustellen, in welche Schwierigkeiten ich dort geraten konnte. Stacy wollte mitkommen, doch – typisch für ihn – einen Grund nannte er mir nicht.
Dritter Teil
1
Man sagt, für einen rückkehrenden Raumfahrer ist die Erde niemals mehr dieselbe, was nicht heißt, daß sie sich tatsächlich verändert hat. Daß ich nach beinahe vierzehn Jahren nach Hause kam, hatte wenig mit Heimweh zu tun. Ich hatte niemals von einer verklärten Erde geträumt. Wenn ich mich überhaupt an sie erinnerte, kam sie mir schlimmer als in Wirklichkeit vor.
Stacy hatte noch weniger Grund, sich auf ein Wiedersehen mit der Erde zu freuen. Er hatte bereits mehr Zeit abgedient als die zwanzig Jahre, zu denen er sich anstelle des Beinhauses hatte verpflichten müssen. Wahrscheinlich wäre er im Raumdienst geblieben, wenn ich mich nicht zur Rückkehr entschlossen hätte.
Am letzten Tag auf unserer langen Heimreise wurde ich doch ein klein wenig aufgeregt. Ich versuchte, diese Stimmung mit Stacy zu teilen, aber er war nicht interessiert.
»Stacy, sieh einmal hinaus, sieh nur …«
»Warum?«
»Das ist die Erde! Man sieht sie schon ganz …«
»Ich habe sie gesehen.«
»Aber …«
»Bilder von dieser Ansicht hängen in jedem Hauptquartier der Galaxis.«
»Aber das sind Bilder, und hier ist die wirkliche …«
»Darauf kommt es nicht an.«
»Doch! Sieh nur einmal hinaus.«
»Nein, danke.«
»Das ist kein Bild. Es ist – nun – authentisch.«
»Der Dreck in meinen Schuhen wird für mich authentisch genug sein. Danke.«
»Ich geb’s auf.«
»Wie du es für gewöhnlich tust.«
Ich forschte in seinem hageren Gesicht nach einer Spur von Humor, nach irgendeinem Hinweis, daß er sich über mein theatralisches Benehmen lustig machte. Aber er hing bloß ungerührt in einem Mannschaftssitz, offenbar auch für seinen Gummikörper in einer unbequemen Position. Nur, wenn ich ihn gefragt hätte, ob er es nicht unbequem habe, dann hätte er geantwortet, danke, bequem genug. In letzter Zeit ärgerte ich mich häufig über seine Widerspruchsgeist verratenden und manchmal recht merkwürdigen Gewohnheiten. Eine Speise, die er eine Woche lang heißhungrig verschlang, ließ er in der nächsten unberührt auf dem
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