Alicia II
Allein die Tatsache der Nachforschung hatte etwas von Gewalttätigkeit an sich gehabt.
Aber dieser Besuch erfolgte erst ein paar Tage später.
Inzwischen verlebte ich eine köstliche Zeit mit Alicia. Ich hatte mich auf langes Warten eingerichtet, doch zu meiner Freude war sie schon in der Hotelhalle, als ich an diesem Abend zu unserm Dinner hinunterkam. Ich erinnere mich nicht mehr an viele Einzelheiten der Mahlzeit, aber Alicia fragte mich nach meinen Abenteuern im Raum aus, wie sie es nannte. Ich erzählte ihr einiges, aber nicht alles, über meine Erfahrungen mit dem Nebel auf Coolidge. Sie fand es merkwürdig, daß ich beinahe von etwas umgebracht worden wäre, das die Konsistenz von leichtem Nebel hatte. Allerdings, so setzte sie hinzu, hatte sie vor ein paar Jahren einige Zeit in Los Angeles gelebt, und wenn sie an die dortige Atmosphäre denke, könne sie meine Geschichte fast glauben. Schließlich lenkte ich sie von dem Thema meiner Reisen ab, indem ich Erinnerungen an unsere erste gemeinsame Zeit heraufbeschwor. Ich staunte, daß sie jene Tage am Strand besser im Gedächtnis bewahrt hatte als ich. Auch beeindruckte es mich, wie oft das Kind Alicia mich durchschaut hatte. Ich hatte mir eingebildet, als der soviel Ältere hätte ich sie in vielen Dingen getäuscht. Und dabei hatte ich nicht gemerkt, daß in Wirklichkeit sie mit mir gespielt hatte.
Nach dem Dinner ertappte ich mich dabei, daß ich unter dem Einfluß einer Überdosis Wein ihre Hand hielt.
Lächerlicherweise fiel mir keine höfliche Art ein, wie ich sie wieder loslassen konnte. Ganz bestimmt wollte ich nicht, daß sie dies als Einleitung zu einer Verführung mißverstand – und schlimmer war, ich fürchtete mich davor, ihr zu sagen, warum eine Verführung unmöglich war. In den darauffolgenden Nächten hatte ich auf meine törichte Art immer wieder erotische Träume davon, daß ich ihre Hand hielt, so wie ein junger Mann von körperlichen Dingen träumt. Später an jenem Abend, als ich ihre Hand nicht hielt, verschwand Alicia wieder. Sie lief mir davon, ohne auch nur auf Wiedersehen zu sagen. Und natürlich kam sie am nächsten Morgen und entschuldigte sich dafür, daß sie gestern ohne Abschied gegangen sei. Von da an hielt ich ihre Hand, weil ich das als einen Zauber betrachtete, der ihr plötzliches Verschwinden verhütete.
Wir verbrachten viele der folgenden Abende zusammen.
Abgesehen von Restaurants und Geschäften gab es eine Menge kulturelle Veranstaltungen. Theater, Ballett, Oper, Konzert, Marionettenbühne. Alicia fand Gefallen am Ungewöhnlichen, und ich mußte mir einige Scheußlichkeiten ansehen, zu denen sie mich mitzerrte. Ein Straßentheater, das wir besuchten, hatte überraschende Ähnlichkeit mit der Aufführung, die ich in Hough gesehen hatte. Auch dies Stück war nichtstrukturiert, und darauf waren auch diese Schauspieler stolz. Eine Schauspielerin erinnerte mich an Bru, obwohl sie ihr überhaupt nicht ähnlich sah, und ich war den ganzen Abend traurig.
Alicia spürte meine Traurigkeit, stellte aber keine Fragen. Wir machten lange Spaziergänge in dunklen Straßen, die als ungefährlich galten, und es stieß uns nichts Übles zu. Wir wanderten durch Parks, ohne uns darum zu kümmern, daß wir unser Leben jedem feilboten, der eine Waffe hatte. In diesen beiden Wochen sahen wir nichts, was bei einer alten Jungfer hätte Anstoß erregen können. Jedenfalls nichts Gewalttätiges.
Irgendwann während dieser Zeit, an einem Nachmittag, als Alicia eine ihrer geheimnisvollen Dienstreisen machte (das hatte sie wenigstens gesagt), kam der zweite Angriff eines Attentäter-Teams. Er glich so ziemlich dem ersten, nur daß das Killer-Trio diesmal innerhalb von Gebäuden blieb und aus den Fenstern schoß. Stacy und ich hatten uns angewöhnt, unsere Waffen bei uns zu tragen, die auf die Bedürfnisse eines Raumfahrers abgestimmt waren. Ganz bestimmt waren sie wirkungsvoller und technisch besser als die selbstgebastelten Pistolen der Killer.
Wir erledigten die Angreifer in kurzer Zeit, zwei davon für immer. Sie hatten offenbar nicht damit gerechnet, daß wir nur auf sie gewartet hatten. Die Polizisten waren gar nicht glücklich über unsere Arbeit (die beiden Körper konnten ganz bestimmt nicht wiederverwertet werden), und wahrscheinlich wünschten sie insgeheim, das nächste Killer-Team werde mehr Erfolg haben.
Als die Polizei uns gehen ließ, suchten wir sofort Bens Büro auf. Ich erzählte June, was geschehen war, und sie kam mit
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